Seidig glänzend mit feinen Streifen

Das Comeback des Unterhemdes ist die Antwort auf die bauchfreie Mode. Gerade im Sommer

Unterhemden? Bloß nicht!, ruft der Kollege W. Das Spießigste!, schnaubt mein Jugendfreund Simon. Haben wir doch längst hinter uns!, sagt mein Sportpartner Pit. Im Internet gibt es sogar Foren von Männern, die sich selbst als „Unterhemdenhasser“ bezeichnen. Ganz so, als dränge sich beim Wort „Unterhemd“ automatisch ein Trägerhemd aus weißem Baumwollripp auf, das nur im Set mit Wampe und Bierflasche zu haben ist.

Doch da haben wir schon wieder den Unterschied zwischen Männern und Frauen.

Dieser Sommer könnte nämlich eine Renaissance des Unterhemdes erleben. Jedenfalls für uns. Doch das war mir neulich erst gar nicht klar, als mich Freundin Britt zum Shopping mitschleppte.

„Irgendwie muss man die Bauchfrage klären“, hatte Britt gesagt, als wir zusammen über den Tauentzien bummelten. Ich antwortete nicht, sondern betrachtete die Passanten, meist gestylte Leute, die offenbar mehr Zeit und Gedanken auf ihr Äußeres verwendeten als ich. Klamotten-Shopping – das ist eine Beschäftigung, die mir nicht mehr so viel Spaß bringt wie noch vor einigen Jahren. Vielleicht ist es die Erkenntnis, dass der Kauf einer bestimmten Bluse mein Leben nicht ändern wird. Irgendwann habe ich auch mal eine heimliche Statistik angelegt, ob mich denn nachweislich früher mal tatsächlich ein Junge angesprochen hat, wegen dieses oder jenes Kleides oder dieses oder jenes Paares an Schuhen. Okay, dieser grünlich changierende Chintzrock damals auf der Party, ein Renner. Und dann diese Tanzschuhe aus den 50ern, leider eine halbe Nummer zu klein, wie sich im Laufe des Abends herausstellte.

„Die Bluse in den Hosenbund stopfen sah ja noch nie gut aus“, reißt mich Britt aus meinen Gedanken, „aber die Bluse dann drüber hängen lassen über die Taille, das ist Hochrisiko. Du holst einmal ein Buch oben aus dem Regal oder streckst die Arme über dem Kopf aus, schon rutscht das Teil hoch und die Wampe blitzt heraus. Geht nicht. War mir neulich vor den Kollegen richtig peinlich. Und meine Kinder haben mir auch schon gesagt: ‚Mama, man sieht deinen Bauch.‘“

Mir dämmert, dass dieses Problem auch für mich aktuell ist. Denn der Sommer ist da. Und was anziehen? Taillierte Blusen, nicht hauteng, aber doch körpernah geschnitten, sehen nur dann gut aus, wenn man sie nicht wulstig in die Hose steckt, sondern, sagen wir, zehn Zentimeter über die Taille lappen lässt. Das Teil darf nicht zu lang sein, damit die körpernahe Silhouette erhalten bleibt und nicht sackartig aussieht. Doch was tun, wenn die blaue Baumwollbluse oder das weiße Leinenhemdchen nach oben verrutschen, im Eifer des Tagesgeschäfts, am Supermarktregal, am Esstisch, am Schreibtisch, auf dem Fahrrad? „Türkinnen zeigen nie ein Stück Haut, ist mir in Istanbul aufgefallen“, erzähle ich Britt, „dabei sind die Sachen supereng geschnitten, aber sie entblößen eben nichts.“

„Genau“, sagt Britt, „das meine ich ja. Unter der Sommerbluse muss man ein Unterhemd tragen, so eins mit Trägern.“ Das mit dem Unterhemd habe ich im vergangenen Jahr allerdings schon versucht. Als ich mich mit meiner weißen Leinenbluse im Supermarkt bückte, blitzte darunter mein weißes Baumwollunterhemd hervor. Ich fühlte mich so richtig verwahrlost. Nie wieder Unterhemd, schwor ich mir.

Britt scheint meine Gedanken lesen zu können. „Du brauchst Unterhemden, die eine modische Eigenständigkeit haben, die für sich selbst stehen können, die gewissermaßen das Oberhemd dezent ergänzen, nicht verschämt unterfüttern.“ Heute ist sie besonders hartnäckig.

Wir sind im Kaufhaus angelangt. Ich will es kurz machen: fünf modische Trägerhemden, die für sich selbst stehen, fanden den Weg in meinen Kleiderschrank. Zwei sind seidig glänzend und dezent gestreift, die Streifen im Farbton meiner Leinenblusen. Eines ist zart gelb und wird meine weißen kurzen Hemden in der Körpermitte vervollkommnen. Die anderen sind dunkelblau und schwarz. Nie wieder nackt. Denn mein Bauch gehört mir.

BARBARA DRIBBUSCH über GERÜCHTE

Stress mit dem Leibchen? kolumne@taz.de Morgen: Martin Unfried hat ÖKOSEX