Chávez beschleunigt Erdölnationalisierung

Staatsfirma bekommt Mehrheitsbeteiligungen, doch ausländische Ölfirmen hoffen weiter auf gute Geschäfte

PORTO ALEGRE taz ■ Mit einer symbolischen Besetzung von Ölanlagen durch Tausende rot gekleidete Arbeiter hat Venezuela am Tag der Arbeit die Nationalisierung seines Erdölsektors vorangetrieben. Montag Nachmittag rief Präsident Hugo Chávez im sogenannten Orinoco-Streifen, der „perverse Prozess“ der wirtschaftlichen Öffnung sei nach über zehn Jahren beendet. Hinter ihm prangte in riesigen Lettern: „Volle Öl-Souveränität. Dem Sozialismus entgegen!“

Wie im Februar angekündigt, übernimmt der staatliche Erdölkonzern PDVSA mindestens 60 Prozent der Förderanlagen in acht Joint Ventures. Betroffen sind 13 ausländische Firmen, darunter Exxon Mobil und Chevron (USA), BP (Großbritannien) , Total (Frankreich), Petrochina und Sinopec (China) sowie Statoil (Norwegen). Fast alle haben die Umwandlung grundsätzlich akzeptiert. Über die genauen Bedingungen wird noch verhandelt, doch Enteignungen sind ausgeschlossen. Auch mit dem besonders betroffenen US-Multi ConocoPhillips und EniDacion aus Italien werde es bald zu einer Einigung kommen, sagte Energieminister Rafael Ramírez.

Damit steigen die Staatseinnahmen beträchtlich: Die abzuführenden Förderabgaben steigen von 1 auf 33 Prozent, die Gewinnsteuern von 34 auf 50 Prozent. Dennoch rechnet der Analyst Juan Carlos Sosa Azpurua damit, dass alle Multis im „strategisch interessanten“ Venezuela bleiben: Sie hätten fast 20 Milliarden Dollar investiert, und dank der hohen Ölpreise blieben die Geschäfte auch künftig lukrativ.

Umgekehrt bleibt Venezuela, dessen erste Erdölverstaatlichung bereits 1975 erfolgte, weiterhin auf Know-how und Kapital aus dem Ausland angewiesen. Bei den Vorkommen im Orinoco-Streifen handelt es sich um extrem schweres Rohöl, dessen Förderung besonders kompliziert ist. Am Unterlauf des Flusses sollen die umfangreichsten Schwerrohölreserven der Welt lagern: geschätzte 1,3 Milliarden Barrel (je 159 Liter). Bis 2012 möchte Venezuela unter Beteiligung von Staatsfirmen aus Brasilien, Uruguay, Argentinien, China, Russland und Iran 15 Milliarden Dollar investieren.

Branchenkenner kritisieren seit Jahren, dass PDVSA zu wenig in das Ölgeschäft investiere. Zumindest im Orinoco-Streifen wird das anders: Mit den höheren Staatserlösen dürfte dort dieFördermenge wieder hochgefahren werden, die von 600.000 täglich (2005) auf 450.000 Barrel im April 2007 zurückgegangen war. GERHARD DILGER