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: Eine alles entscheidende Sekunde

ZWEITE LIGA Union Berlin rutscht nach O:3-Klatsche in Hamburg beim FC St. Pauli ans Tabellenende und hadert mit dem Schiedsrichter

Manchmal ist es egal, dass ein Spiel 90 Minuten dauert, weil es ja doch nur eine einzelne Szene, eine einzige Sekunde ist, in der sich alles entscheidet. Beim Auftritt der „Eisernen“ von Union am Samstag am Hamburger Millerntor lag dieser entscheidende Moment in der 23. Spielminute, als Björn Jopek im eigenen Strafraum den Hamburger Stürmer Ante Budemir durch ein ungestümes Einsteigen von den Beinen holte.

Die Konsequenz: Strafstoß, Rückstand und ein Berliner Team, das durch die Rote Karte für Jopek, mit der Schiedsrichter Guido Winkmann dessen Foul bestrafte, fortan in Unterzahl spielen musste.

Mit der Herausstellung war der Berliner Matchplan Makulatur. Die Unioner fanden fortan nicht mehr ins Spiel, und egal, ob die Partie nun noch zehn oder hundert Minuten gedauert hätte, sie hätten den Rasen immer nur als Verlierer verlassen. „Mit zehn Spielern konnten wir nicht umsetzen, was wir uns vorgenommen hatten“, befand Verteidiger Fabian Schönheim nach der Partie. „Wir wollten den Gegner hoch anzulaufen und zu Fehlern zu zwingen“ ergänzte Union-Trainer Norbert Düwel.

Genau das hatte die erste viertel Stunde noch perfekt geklappt: Die Unioner spielten im mit 29.063 Zuschauern ausverkauften Millerntor-Stadion ein extrem aggressives Vorchecking, stürzten sich stets zu zweit oder zu dritt wie ein Rudel hungriger Wölfe auf den ballführenden Hamburger. St. Pauli fand überhaupt nicht ins Spiel und verlor in der Vorwärtsbewegung immer wieder den Ball gegen die heranstürmenden Berliner, die leicht hätten in Führung gehen können, hätten sie den finalen Pass in den gegnerischen Strafraum das eine oder andere Mal mit ein wenig mehr Präzision gespielt. So aber stand es noch 0:0, als Jopek schon vom Spielfeldrand aus mit verfolgte, wie der von ihm verursachte Elfmeter von Christopher Nöthe zum 1:0 für die Hausherren verwandelt wurde.

Lange noch nach der Partie haderten die Berliner mit dem Schiedsrichter. Stürmer Sebastian Polter, einer der besten Berliner auf dem Platz, vermisste bei Winkmann „jegliches Fingerspitzengefühl“ und befand: „Es war ein klarer Elfmeter, aber keine rote Karte.“ Und auch für Düwel war die Entscheidung des Referees, der insgesamt acht Karten zog, obwohl die Partie zwar engagiert, aber nie unfair geführt wurde, „sehr hart“.

Das extrem kraftaufwendige Offensivspiel der Eisernen ließ sich in Unterzahl nicht mehr durchhalten: Die Berliner zogen sich zurück, agierten nun konzeptlos, ließen St.Pauli nach Belieben kombinieren und fanden offensiv nicht mehr statt. Die beiden Hamburger Tore, die dann zum Entstand von 3:0 führten, waren so nur noch eine Frage der Zeit. Erst gestattete die Berliner Abwehr dem agilen Hamburger Mittelfeldspieler Marc Rzatkowski (73.) innerhalb von Sekunden drei Anläufe, den Ball hinter die Linie zu stochern, dann schloss Stürmer John Verhoek (88.) kurz vor Schluss aus 18 Metern einen schulbuchmäßig vorgetragenen Konter gegen die weit aufgerückten Unioner zum Endstand ab.

Das 3:0 nach eigener Ecke „muss man dann in Kauf nehmen“, sagte nach dem Spiel der Berliner Coach, dem die vereinzelten „Düwel raus“-Rufe aus dem Berliner Block nicht entgangen waren. Während der FC St. Pauli einige Plätze in der Tabelle gutmachen konnte, ziert Union Berlin punkt- und torgleich mit Erzgebirge Aue das Tabellenende. Damit ist die Perspektive für die Länderspielpause und die Wochen danach eindeutig: „Es ist ganz klar Abstiegskampf. Wir müssen uns da nichts vormachen“, gestand Polter unumwunden ein. Nichts vormachen muss sich auch Düwel: Nach der klaren Niederlage am Millerntor wackelt sein Stuhl gewaltig.

JONAS FREUDENHAMMER