Metallbeschäftigte kampflustig

Im Tarifkonflikt der Metallindustrie legen die Arbeitnehmer im Norden nach: 33.000 MetallerInnen nach Gewerkschaftsangaben im Warnstreik, Hunderttausende Arbeitsstunden fallen aus

„Die IG Metall hat viele Beine bekommen und wird den Arbeitgebern Beine machen.“

Von KAI VON APPEN
und KAI SCHÖNEBERG

Die Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie haben im Norden ihren Höhepunkt erreicht. Nach Angaben der IG Metall beteiligten sich in den fünf norddeutschen Küstenländern gestern mehr als 33.000 MetallerInnen an Arbeitsniederlegungen, um die Forderung nach 6,5 Prozent mehr Lohn zu untermauern – ihr Slogan: „Plus ist muss.“

Im Tarifbezirk Küste, in dem rund 200.000 Mitglieder im nordwestlichen Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern organisiert sind, seien 139.000 Arbeitsstunden ausgefallen. „Die Mannschaft steht“, freute sich Bezirksleiterin Jutta Blankau.

In Hamburg hatten sich schon am Morgen 5.000 MetallerInnen an der Reeperbahn zu einer Kundgebung versammelt. Mit Beginn der Frühschicht waren 10.000 Beschäftigte dem Aufruf zum ganztägigen Warnstreik gegen das Arbeitgeber-Angebot von 2,5 Prozent gefolgt. Die Beschäftigten der Werften Blohm + Voss und Sietas hatten sich auf der anderen Elbseite zusammengefunden, um dann medienwirksam durch den Alten Elbtunnel zu ziehen. Viele trugen rote T- Shirts mit der Aufschrift: „Startklar“.

Die Anspielung kommt nicht von ungefähr. Sollten nämlich die entscheidenden Tarifverhandlungen im „Pilotbezirk“ Baden-Württemberg gestern Abend scheitern, wird spekuliert, dass der Bezirk Küste heute vom IG Metall-Vorstand zum zweiten Tarifgebiet zwecks eines „Erzwingungsstreiks“ auserkoren wird. Denn mit Mecklenburg-Vorpommern wäre dann ein östliches Bundesland einbezogen. „Die Erwartungen in den Betrieben sind hoch“, sagte Hamburgs IG-Metall-Bevollmächtiger Eckart Scholz gestern. Würden sie nicht erfüllt, „werden Urabstimmung und Streiks eingeleitet“. Denn die Basis erwarte eine „Vier vor dem Komma“.

Auch IG-Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Rode bekräftigte in Hamburg, die Gewerkschaft werde sich „nicht verstecken“. Auf die Forderung von Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegießer, sich zu „bewegen“, erwiderte er: „Die IG Metall hat sich bewegt, die IG Metall hat viele Beine bekommen und wird den Arbeitgebern Beine machen.“

An Aktionen beteiligten sich gestern auch die Beschäftigten des kriselnden Flugzeugbauers Airbus. Die Endproduktion stehe still „bis morgen früh“, sagte Vertrauensleutesprecher Jörg Junker. „Wir haben kein Auslastungsproblem, wir haben ein Managementproblem“, versuchte er das Agieren zwischen Tarifkampf und Jobangst zu erläutern. Beim Lohn werde man sich „nicht abkoppeln“ lassen. „Wir werden kämpfen und streiken für jeden Standort.“ Werde ein Werk „angegriffen“, „werden wir alle angegriffen“.

In der Bremer Innenstadt versammelten sich gestern 4.000 MetallerInnen zu einer Protestveranstaltung. Insgesamt legten an der Weser 7.500 Beschäftigte die Arbeit nieder.

In Schleswig-Holstein konzentrierten sich die Aktionen auf die Landeshauptstadt Kiel. Bei Europas größtem Schiffsdiesel-Hersteller Caterpillar und der Tanker-Werft Lindenau beteiligten sich rund 750 Beschäftigte am Ausstand. Am Mittag beendeten auch bei der HDW-Werft die Arbeiter ihre Schicht vorzeitig. Besonders in der Werftindustrie wollten die Beschäftigten nicht mehr länger zurückstecken, sagte der IG-Metall-Bevollmächtigte Wolfgang Mädel: „Die Auftragsbücher sind bis 2010 voll.“

Im angrenzenden Bezirk Niedersachsen hat die IG Metall ihre Warnstreiks im Vorfeld der fünften Tarifverhandlungen mit den dortigen Arbeitgebern nochmals ausgeweitet. In Hannover zogen 2.500 Beschäftigte aus niedersächsischen Betrieben vor das Gebäude des Arbeitgeberverbandes. „Einerseits vermelden die Unternehmen Rekordgewinne, andererseits verlangen sie Lohnzurückhaltung“, sagte IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine. Diese „Doppelzüngigkeit“ sei „unerträglich“. In Osnabrück nannte der IG-Metall-Vize-Vorsitzende Berthold Huber die gestrigen Pilot-Tarifgespräche im Südwesten die „letzte Chance“: „Unsere Geduld“, sagte er vor 3.000 Zuhörern, „hat irgendwann ein Ende.“ Die ArbeitnehmerInnen seien die „Väter und Mütter“ des Aufschwungs und müssten am wirtschaftlichen Fortschritt beteiligt werden.