Muskelprotzen als Männerdroge

Pillen im Fitnessstudio: Die Drogenbeauftragte des Bundes macht bei der Vorstellung ihres Jahresberichts Freizeitdoping zum Thema. Problem erkannt, Lösungsansatz fehlt noch, sagen die Grünen. Ein Antidopingkämpfer sieht sich allein an der Front

AUS BERLIN GEORG LÖWISCH

Fitnessclub-Besucher, die ihrem Training mit Anabolika nachhelfen: In derartigem Freizeitdoping sieht die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, ein „hohes Gefährdungspotenzial“ vor allem für junge Männer. „Wir gehen davon aus, dass 200.000 Breitensportler Dopingmittel zu sich nehmen“, sagte die SPD-Politikerin gestern bei der Vorstellung ihres Drogen- und Suchtberichts in Berlin.

Bätzing räumte ein, dass es keine verlässlichen Zahlen zum Freizeitdoping gebe. Sie verwies aber auf eine Studie aus dem Jahr 2006, bei der Forscher Besucher von Fitnessstudios in Süddeutschland befragten. 621 Fragebögen wurden ausgefüllt. Das Ergebnis: 3,9 Prozent der Frauen und 19,2 Prozent der Männer gaben zu, Dopingmittel geschluckt oder gespritzt zu haben.

Die Drogenbeauftragte sieht in den Gesetzesplänen von Union und SPD zur Dopingbekämpfung einen „wichtigen Schritt“, um auch dem Freizeitdoping beizukommen. Das Bundeskabinett hat bereits eine Verschärfung des Arzneimittelgesetzes beschlossen. Der Besitz von Mitteln wie Testosteron, Epo oder Wachstumshormonen „in nicht geringer Menge“ soll unter Strafe gestellt werden. Demnächst beraten Bundesrat und Bundestag über den Entwurf. Das Gesetz richtet sich vorrangig gegen Doping im Spitzensport. Bätzing erhofft sich jedoch eine abschreckende Wirkung auf Freizeit- und Breitensport.

Der sportpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Winfried Hermann, sieht in dem Gesetz kein schlagkräftiges Konzept gegen Doping. Es sei nirgendwo festgelegt, was „nicht geringe Mengen“ seien, sagte er der taz. Vermutlich werde es sich nur gegen den bandenmäßigen Handel richten. Dealer könnten reagieren und nur geringe Portionen mit sich führen.

Im Freizeitsport sei Doping besonders gefährlich, sagte Hermann. „Da gibt es keine ärztliche Begleitung wie bei dopenden Spitzensportlern“, begründet der Grünen-Experte. „Die dopen nach dem Motto: Viel hilft viel“. Zu den Äußerungen der Drogenbeauftragten sagte er: „Schön, dass Frau Bätzing das Problem erkennt. Das ist seit Jahren überfällig.“ Der Bundesregierung fehle aber eine Präventionsstrategie. Zudem habe sie Mittel zur Dopingprävention von 400.000 auf 300.000 Euro im Jahr gekürzt. Eine Studie mit verlässlichen Zahlen zum Freizeitdoping müsse her.

Der ehemalige Bodybuilder Jörg Börjesson, der die Initiative Doping-Frei, aufgebaut hat, sagte der taz, vor allem in großen Studios handelten Dealer mit Pillen, ohne dass die Betreiber dies mitbekämen. „Unpersönliche Muckibuden, die 24 Stunden geöffnet haben, sind besonders beliebt.“ Dopingwillige fänden ihre Mittel auch im Internet oder gingen mit gefälschten Rezepten in Apotheken. „Wir haben Tests gemacht und in Studios nach Dopingmitteln gefragt. Meist hatten wir innerhalb einer Stunde einen Ansprecherpartner.“

Freizeitdoping gibt es nach Angaben Börjessons nicht nur in Fitnessstudios. Auch Teilnehmer von Städtemarathons wollten vor ihren Freunden mit allen Mitteln protzen können.

Börjesson hat sich nach eigenen Worten früher selber mit Anabolika vollgepumpt, bis er Magenbeschwerden bekam und ihm das Blut aus der Nase schoss. Nun hält er in Schulen und Jugendzentren Vorträge. Für die Kosten kämen die einladenden Einrichtungen auf, manchmal in Zusammenarbeit mit Krankenkassen. „Wir sind die Einzigen an der Front“, sagte er. Anfragen bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die auch eng mit der Drogenbeauftragten zusammenarbeitet, seien im Sande verlaufen.