Umweltpionierin mit neuer Aufgabe

Endlich kann ich nur noch in Ruhe Bücher lesen und im Garten arbeiten“, schwärmte Gro Harlem Brundtland, als sie sich 2003 nach drei Jahrzehnten in der Politik nach Südfrankreich auf ihren Altersruhesitz bei Nizza zurückzog. Damals hatte sie gerade den Chefposten der Weltgesundheitsorganisation WHO verlassen. Nun konnte die Norwegerin, die kürzlich ihren 68. Geburtstag feuerte, aber doch zu einer neuen Herausforderung nicht Nein sagen: UN-Generalsekretär Ban Ki-moon fragte, ob sie seine Sondergesandte für Klimafragen werden wolle. Zusammen mit Chiles Expräsident Ricardo Lagos und Südkoreas ehemaligem Außenminister Han Seung-soo soll sie im Auftrag des UN-Chefs enge Kontakte zu Staatschefs in aller Welt halten, um die Verhandlungen über ein neues Klimaabkommen zu intensivieren und bis Jahresende einen Aktionsplan zur Bekämpfung des Klimawandels ausarbeiten.

Dafür könnte wohl kaum jemand besser geeignet sein als „die grüne Gro“, die 35-jährig weltweit erste Umweltministerin wurde und in den Jahren von 1974 bis 1979 in Oslo das Thema Umwelt an der Spitze der politischen Tagesordnung verankerte. Auch später, nachdem sie zunächst 1981 und dann von 1986 bis 1989 und von 1990 bis 1996 als erste Frau ihres Landes Ministerpräsidentin war, sollten Umweltfragen ihr Spezialgebiet bleiben.

Sie war auch Leiterin der 1983 eingerichteten UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, die als „Brundtlandkommission“ in die Geschichte eingegangen ist. „Our Common Future“, der 1987 veröffentlichte abschließende „Brundtlandrapport“ dieser Kommission gilt als Meilenstein bei der Verankerung ökologischen Denkens in der Alltagspolitik. Der dort neu geprägte Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“ ist seither aus der Debatte nicht mehr wegzudenken. Der „Brundtlandrapport“ legte außerdem die Grundlagen für den Weltumweltgipfel in Rio 1992; die „Agenda 21“ der UNO baute ebenfalls darauf auf (www.anped.org/media/brundtland-pdf).

Internationale Anerkennung bekam die Ärztin Brundtland auch als Generaldirektorin der WHO (von 1998 bis 2003). Für die Koordination der Arbeit zur Bekämpfung der Sars-Epidemie 2002/03 wurde sie von Scientific American zur „politischen Führungspersönlichkeit des Jahres“ ernannt.

Was es bedeutet, mit einer „Landesmutter“ und internationalen Politikerin verheiratet zu sein, beschrieb ihr Ehemann Arne Olav 1996 und 2003 in zwei Büchern, die in Norwegen Bestseller wurden: „Verheiratet mit Gro“ und „Immer noch verheiratet mit Gro“.

REINHARD WOLFF