Radikale Liebeserklärung an Bücher

BUCHFREUNDE Mit der Radical Book Fair richtete die Rote Flora die erste linksradikale Buchmesse Hamburgs aus. Am Wochenende trafen sich dort VerlegerInnen, Leseratten und AktivistInnen zum Austausch

„Es geht darum, Menschen Texte verfügbar zu machen, an die sie nicht rankämen“

So offen wie am vergangenen Wochenende erlebt man die Rote Flora in Hamburg selten: In einer Spielecke wurden Kinder geschminkt, der Keller war zum Kino umfunktioniert und das Flora-Archiv war für alle Interessierten geöffnet. Während im Saal kleine und nicht ganz so kleine Verlage bei der ersten linksradikalen Buchmesse Hamburgs ihr Sortiment präsentierten, fanden oben auch Workshops statt. Die Themen reichten von „Gewaltfreie Kommunikation“, der „Situation von Roma im serbischen Rap“ über „Psychische Folgen von Repression und Gewalt“ bis zu einer Anleitung zum Buchbinden.

Die Radical Book Fair steht in der Tradition der Anarchist Book Fairs, die seit Mitte der 90er Jahre in Städten wie New York, Montreal, Dublin und Seattle stattfinden. Die anarchistischen Buchmessen sollen als Plattform für Debatten dienen und Leute zusammenbringen. Mit der Hamburger Book Fair wollten die VeranstalterInnen bewusst über das anarchistische Spektrum hinausgehen – „deshalb „Radical Book Fair“, statt „Anarchist Book Fair“, erklärte eine der VeranstalterInnen. Thematisch passend war also alles, was sich „aus einer linken Perspektive mit sozialen Kämpfen auseinandersetzt.“

Breit gefächert war dementsprechend das Themenspektrum der präsentierten Bücher. Klassiker wie Paul Lafargues „Recht auf Faulheit“ waren ebenso darunter wie wissenschaftliche Beiträge zum europäischen Migrationsregime, ein Sachcomic zum Marxismus und Titel wie „Bier zum Frühstück, Tschernobyl im Arsch“.

Neben gebundenen Büchern wurden auch selbst publizierte Schriften und handkopierte Mini-Magazine, sogenannte Zines, angeboten. „Es geht auch darum, vielen Menschen Texte verfügbar zu machen, an die sie sonst nicht rankommen würden“, so die Mitveranstalterin. „Schließlich können nicht alle Leute Bücher schreiben und sie in den großen Verlagen unterbringen – dabei haben wir doch alle viel zu sagen.“

Einen thematischen Schwerpunkt der Buchmesse stellten Flüchtlingskämpfe dar. Nicht nur mit Büchern und Infomaterial von Flüchtlingsorganisationen, auch mit dem Zeitpunkt, dem Tag der Deutschen Einheit, wollte man darauf Bezug nehmen: „Während Deutschland die Abschaffung der internen Grenze feiert, jährt sich der Tod tausender Flüchtlinge an der EU-Grenze vor Lampedusa“, hieß es aus dem Organisationsteam. „Gleichzeitig kämpft die Gruppe Lampedusa-in-Hamburg weiterhin für ein Bleiberecht. Diese Auseinandersetzungen wollten wir aufgreifen.“

Dazu seien Texte und Bücher trotz voranschreitender Digitalisierung geeignete Medien, finden die VeranstalterInnen. Schließlich habe auch nicht jeder ständig Internetzugang. Und, jenseits des Praktischen: „Das ist unsere Liebeserklärung an Bücher“, offenbarte eine der Veranstalterinnen. KATHARINA SCHIPKOWSKI