Klimastadt baut Kohlekraftwerk

Seinen klimapolitischen Ambitionen zum Trotz unterstützt der Senat das Vattenfall-Projekt in Moorburg. Dafür verzichtet die Affi auf ihr Müllkraftwerk und kooperiert mit dem Stromkonzern

VON GERNOT KNÖDLER

Der Bau eines großen Steinkohlekraftwerks in Moorburg ist wahrscheinlicher geworden. Der Senat hat die Norddeutsche Affinerie (NA) und Vattenfall dazu bewogen, das Projekt gemeinsam voranzutreiben. Wie die drei Akteure gestern im Rathaus mitteilten, wird die NA einen Teil des Kraftwerks finanzieren und dafür langfristig zu günstigen Preisen Strom beziehen. Im Gegenzug verzichtet die Kupferhütte darauf, auf der Peute zusammen mit der Stadtreinigung ein eigenes Kraftwerk zu errichten. Der für Montag angesetzte Erörterungstermin auf der Veddel fällt aus.

„Hamburg bekommt nicht zwei neue Kraftwerke, sondern nur eines“, kommentierte Bürgermeister Ole von Beust (CDU). „Das ist gut für den Klimaschutz.“ Andere finden, dass der Senat damit weit hinter seinem Anspruch, Hamburg zur Klimaschutzmetropole zu machen, zurückbleibt. „Mit der Genehmigung des Kohlekraftwerks Moorburg torpediert der Senat alle Klimaschutzanstrengungen in Hamburg für die nächsten 40 Jahre“, kritisierte der GAL-Abgeordnete Jens Kerstan. Vor Ablauf dieser Frist würde das neue Kraftwerk wohl kaum abgerissen werden. Hamburg wäre auf die klimaschädliche Steinkohle festgelegt.

Das Kraftwerk Moorburg soll 1.640 Megawatt elektrische Leistung haben und bis zu 450 Megawatt an Fernwärme abgeben. Dabei würde so viel Kohle verbrannt, dass pro Jahr sieben Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangen würden.

Das Müllkraftwerk auf der Peute sollte 110 Megawatt Strom liefern können und damit den Bedarf der Affi decken. Dadurch wären 600.000 Tonnen CO2 in die Luft geblasen worden – allerdings aus Stoffen, die bereits mindestens einmal anders genutzt wurden.

Geht Moorburg 2012 ans Netz, will Vattenfall das Heizkraftwerk Wedel abschalten. Es wird ebenfalls mit Steinkohle befeuert und kann 260 Megawatt Strom und 401 Megawatt Fernwärme liefern. Weil das neue Kraftwerk effizienter arbeite als die Anlage in Wedel, verbessere es Hamburgs Klimabilanz, sagte Klaus Rauscher, der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall Europe.

Das Kraftwerk Moorburg werde Maßstäbe setzen, versprachen Vattenfall und Senat unisono. Ohne Fernwärme werde es einen Wirkungsgrad von 46,5 Prozent haben – der derzeitige Durchschnitt für Steinkohlekraftwerke liege bei 30 Prozent. Einschließlich der Fernwärme könne der Brennstoff bis zu 57 Prozent ausgenutzt werden. Vattenfall habe überdies versprochen, die Kraftwerkstechnik ständig zu verbessern, sagte Umweltsenator Axel Gedaschko (CDU).

Das sind Werte, die auch die Energieexperten der GAL zu würdigen wissen. Sie halten das Konzept aber nicht für ehrgeizig genug. Kerstans Meinung nach sollte der Senat Vattenfall zwingen, viele kleine Gas- und Dampfturbinenkraftwerke zu bauen, die ebenfalls Strom und Wärme liefern, allerdings bei Wirkungsgraden von rund 90 Prozent. Wenige Großkraftwerke zu bauen, sei Energiepolitik von gestern.

Der Umweltverband BUND äußerte Skepsis gegenüber dem Versprechen, dass das Kohlekraftwerk auf dem Stand der Technik gehalten werde. Das sei ein Lippenbekenntnis. „Um eine solche Vereinbarung verbindlich zu machen, dürften neu gebaute Kohlekraftwerke nur mit einer Betriebsgenehmigung von zehn Jahren ausgestattet werden“, sagte der BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Hamburg werde sich ein Kraftwerk ans Bein binden, das zwar heute auf der Höhe der Technik sei, dessen Nachrüstung sich aber bald nicht mehr lohnen werde.

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