Harald Wolf richtet die Genossen

Wirtschaftssenator räumt Fehlverhalten in der Linkspartei bei der verpatzten Wahl einer Verfassungsrichterin ein

Eigentlich sollten seine Worte wie eine Verteidigung seiner Parteifreundin klingen, aber sie wirkten wie Kritik. Gestern erklärte Harald Wolf, Wirtschaftssenator und starker Mann der Linkspartei, die Fraktionsvorsitzende Carola Bluhm habe sich durchaus um eine reibungslose Wahl Evelyn Kenzlers zur Verfassungsrichterin bemüht. Zugleich sagte er aber, Bluhm hätte auf eine Tatsache hinweisen sollen: Als rechtspolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion hatte Kenzler 1998 für eine Amnestie und Haftentschädigung für verurteilte SED- und Stasi-Täter plädiert.

„Das kann ein sensibler Punkt sein“, urteilte Wolf. „Das hätte man thematisieren sollen.“ Damit kritisiert Wolf indirekt seine Parteifreundin – und zeigt zugleich einen Weg auf, wie das Abgeordnetenhaus seine jüngste Posse beenden könnte.

Vergangene Woche hatten die Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus Kenzler als einzige von fünf Kandidaten für die Richterstellen am Verfassungsgerichtshof durchfallen lassen. Fünf Jastimmen fehlten zur nötigen Zweidrittelmehrheit. Koalition wie Opposition warfen einander Wortbruch vor: Die Linkspartei habe den Fleck in der Biografie der 44-Jährigen verschwiegen, klagten CDU, Grüne und FDP. Erst kurz vor der Abstimmung habe eine Internetrecherche Kenzlers Forderung nach Entschädigung für verurteilte Grenzsoldaten und Stasi-Leute ans Licht gebracht. SPD und Linkspartei riefen, derlei sei „vorgeschoben“, die Opposition habe Absprachen gebrochen und den Gerichtshof beschädigt.

Wolfs Haltung könnte die wechselseitige Blockade lösen. Gestern versprach FDP-Fraktionschef Martin Lindner der Linkspartei-Chefin in einem offenen Brief: „Ich gab Ihnen die Zusage – und dabei bleibt es auch –, dass meine Fraktion einen geeigneten Kandidaten Ihrer Fraktion mitwählen wird.“ CDU-Fraktionschef Pflüger assistierte: Nun lasse sich zügig über einen neuen Kandidatenvorschlag der Linkspartei abstimmen. Kenzler steht für einen weiteren Wahlgang nicht bereit.

Auch Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann begrüßte Wolfs Entgegenkommen. „Jetzt muss die Linkspartei schnell eine Kandidatin oder einen Kandidaten finden.“ Eine eingehende Prüfung des Richteranwärters vorausgesetzt, stehe einer Wahl durch seine Fraktion nichts im Wege. „Aber auch die SPD muss klar Stellung beziehen“, forderte Ratzmann. Darauf reagierte SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller kühl: Von Kenzlers Forderung nach Haftentschädigung habe seine Fraktion nichts gewusst. Als Vertrauensbruch des Koalitionspartners werte er diese Unterlassung jedoch nicht.

MATTHIAS LOHRE