TARIFEINIGUNG DER METALLINDUSTRIE: DIE VERNUNFT HAT GESIEGT
: Zukunft an der Basis

So gute Voraussetzungen für eine Tarifverhandlung mit den Arbeitgebern hatte die IG Metall schon lange nicht mehr. Da war die gute Konjunktur, die für eine große Erwartungshaltung bei den Beschäftigten sorgte. Sie brachte die Arbeitgeber in die verzwickte Lage, nicht wie früher mit den Argumenten Wettbewerbsfähigkeit und Standortverlagerung punkten zu können. Und da waren die politischen Rahmenbedingungen: Es gab keine Drohgebärden der Parteien und keine Angriffe auf Tarifautonomie oder Kündigungsschutz wie während der vergangenen Tarifrunden. Im Gegenteil: Jetzt sind die Arbeitnehmer dran, lautete der politische Tenor. Die Gewerkschaft hat trotz dieser Rahmenbedingungen den Bogen nicht überspannt. Denn der in Sindelfingen erzielte Tarifabschluss ist moderat – und zeigt die Vernunft der Arbeitnehmervertreter.

Es gab für die IG Metall dabei eine magische Zahl: die Vier. Zum einen, weil die Vier vor dem Komma die Beschäftigten an der gerade in der Metall- und Elektroindustrie extrem guten Konjunktur beteiligen sollte. Zum anderen, weil die Industriegewerkschaft immer noch für sich beansprucht, unter den Gewerkschaften der Schrittmacher bei den Löhnen zu sein – etwa im Vergleich zur Chemieindustrie.

Moderat ist der Abschluss deshalb, weil er über Einmalzahlungen, eine lange Laufzeit und eine geringere Lohnerhöhung für das Geschäftsjahr 2008 auch die Lage der Arbeitgeber berücksichtigt. Diese haben jetzt Planungssicherheit – und können die Lohnerhöhungen gut verkraften.

Die Befindlichkeiten in den Betrieben hat die IG Metall auch noch mit einem anderen Instrumentarium berücksichtigt: Firmen, denen es konjunkturell nicht gut geht, können mit dem Betriebsrat die für 2008 geltende Lohnerhöhung um vier Monate verschieben. Dies ist ein weiterer Schritt in der Differenzierung von betriebsnaher Tarifpolitik. Den Gewerkschaften gelingt es so, die Betriebsräte einzubeziehen, ohne eigenen Einfluss aufzugeben. Insofern zeigt auch dieser Abschluss die neue, pragmatische Strategie der IG Metall. Auch sie hat begriffen, dass die Zeit für gewerkschaftlichen Zentralismus vorbei ist. THILO KNOTT