Wahlen mehrheitlich ohne Wähler in Mali

Malis Präsidentschaftswahl interessiert Menschen wenig. Präsident siegt. Westafrikas Musterland verliert Vielfalt

BERLIN taz ■ Mali ist eine der wenigen funktionierenden Demokratien Afrikas. Es gibt regelmäßige freie Wahlen, und selbst wenn während der Legislaturperiode die parteipolitische Debatte hohe Wellen schlägt, verlaufen die Wahlen selbst friedlich und ordentlich. Die Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag, bei der der Amtsinhaber mit hoher Mehrheit wiedergewählt wurde, bildet da keine Ausnahme. Aber sie bestätigt einen beunruhigenden afrikanischen Trend: Wenn Wahlen glatt ablaufen, dann meistens mangels Interesse dafür im Volk.

Nach dem offiziellen Wahlergebnis vom Donnerstag siegte der amtierende Präsident Amadou Toumani Touré mit 68,3 Prozent. Sein schärfster Konkurrent, Parlamentspräsident Ibrahim Boubacar Keita, kam nur auf 18,6 Prozent. Der Wahlsieg von „ATT“ über seinen langjährigen Widersacher „IBK“ – im Volksmund Malis werden prominente Politiker meist mit ihren Initialen abgekürzt, gleichzeitig eine Anerkennung ihres hohen Bekanntheitsgrades – fiel viel deutlicher aus als erwartet. Hoffnungen von IBKs Wahlbündnis FDR (Front für die Demokratie und die Republik), Präsident ATT in eine Stichwahl zu zwingen, scheiterten damit kläglich.

Die Wahlbeteiligung lag allerdings bei lediglich 36 Prozent. Schon bei Amadou Toumani Tourés erster Wahl zum Präsident 2002 waren nur 38 Prozent der Wähler an die Urnen gegangen – und sogar bloß 30 Prozent in der Stichwahl. Die hatte ATT damals mit 64 Prozent gewonnen, nach mühsamen 28 Prozent im ersten Wahlgang. Die demokratische Vielfalt in Mali hat sich zwischen 2002 und 2007 eindeutig reduziert.

Das 14 Millionen Einwohner zählende Mali war 1991 im Rahmen eines Volksaufstandes gegen den vorherigen Diktator Moussa Traoré und eines von ATT geführten Militärputsches zur Demokratie geworden und entwickelte sich seither stabil: mit hohen Wirtschaftswachstumsraten und zugleich bitterer Armut. Noch immer liegt das Land unter den 177 Ländern des UN-Index für menschliche Entwicklung an drittletzter Stelle, trotz Boom in Straßenbau und Goldförderung. Mali ist eines der Hauptursprungsländer illegaler Migranten, die auf der Suche nach einem besseren Leben in Europa den tödlichen Weg über die Sahara-Wüste wählen. Und seit neuestem ist es eine Hochburg der globalisierungskritischen Bewegung Afrikas, Gastland des Afrika-Weltsozialforums 2006 und eines alljährlichen G-8-Gegengipfels. Präsident ATT ließ sich denn auch mit dem Versprechen wiederwählen, nur er könne der rigiden Einwanderungs- und Abschiebepolitik des voraussichtlichen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy etwas entgegensetzen.

Eine Spezialität des Exgenerals ATT ist seine Geringschätzung des traditionellen Parteiensystems. 2002 trat er als Parteiloser an und gewann, dieses Jahr hat er eine 44-Parteien-Allianz namens ADP (Allianz für Demokratie und Fortschritt) aufgebaut. Er sieht sich als überparteilicher Mentor und hält den Parteienstreit seiner Gegner für hauptstädtisches Geplänkel.

Dass der Präsident sogar in fünf der sechs Wahlkreisen der Hauptstadt Bamako gewonnen hat, glaubt die FDR-Opposition daher nicht und kündigt an, das Wahlergebnis vor Gericht anzufechten. Internationale Wahlbeobachter allerdings bescheinigen der Wahl einen durchweg ordentlichen Verlauf.

Die Oppositionsparteien erwägen auch einen Boykott der nächsten Parlamentswahl. Dann hätte sich das Mehrparteiensystem Malis überflüssig gemacht. Denn die Präsidentenallianz ADP will in zwei rivalisierenden Blöcken antreten und daher den Anschein von Konkurrenz innerhalb eines einzigen Lagers erzeugen. DOMINIC JOHNSON