„Ein Übermaß von Tieren“

VORTRAG Die rülpsende Kuh wird von ihrem schlechten Image als Klimakiller befreit

■ 55, ist Tierärztin, Projektmanagerin und Mediatorin. Sie war von 2005 bis 2008 Lead-Autorin des Weltagrarberichts.

taz: Wollen Sie den Ruf der Kuh retten, Frau Idel?

Anita Idel: Ja. Denn Gras und Graser bilden seit Urzeiten ein geniales Team.

Rülpsende und furzende Kühe gelten als Klimakiller – bei der Verdauung entsteht Methan.

Nicht Klimagase an sich sind böse. 50 Millionen rülpsende Bisons auf den Prärien Nordamerikas haben das Klima nicht gekillt. Es geht um das „Zuviel“ in der Atmosphäre – provoziert durch gigantische Kohlenstoffmengen aus fossiler Energie. Die industrialisierte Landwirtschaft produziert mit hohem Energieeinsatz Unmengen Futtermittel und so ein Übermaß von Tieren auf dem Planeten Erde: 70 Prozent des eiweißreichen Futters in der EU werden importiert.

Immer mehr Rinder werden mit Kraftfutter gefüttert, das mit synthetischem Dünger angebaut wird ...

Und da muss man sich wundern, warum wir keine Lachgas- sondern eine Methandebatte haben. Denn Lachgas entsteht vor allem bei der synthetischen Stickstoffdüngung und ist 296 Mal klimaschädlicher als Kohlendioxid.

Was folgt daraus?

Die Notwendigkeit einer nachhaltigen Low Input-Landwirtschaft mit geringem Energie- und Ressourcenverbrauch und die Reduzierung des Fleischkonsums. Die Agrarförderung führt zu Preisen, die nicht die Produktionswahrheit spiegeln: Es ist absurd, dass nachhaltige Produkte oft teurer sind als jene, für die Regenwald abgeholzt, Äcker überdüngt und übermäßig viel Wasser verschmutzt wurde.

Ist man mit Bio-Produkten da schon auf der sicheren Seite?

Aus Klimasicht vor allem, weil die synthetischen Stickstoffdünger verboten sind und Bodenfruchtbarkeit zählt. Aber auch dort nimmt der Preisdruck zu.

Was steht auf der „Haben-Seite“ der Kühe in punkto Klima?

Dauergrünland bedeckt 40 Prozent der globalen Landfläche und ist ein gigantischer Kohlenstoffspeicher. Nachhaltige Beweidung schützt vor Erosion und befördert mit dem Wachstum auf und im Boden die Speicherung von Kohlendioxid: Jede zusätzliche Tonne Humus entzieht der Atmosphäre 1,8 Tonnen Kohlendioxid. Interview: mnz

20 Uhr, Kubo, Paulskloster 12