PLÖTZLICH SOMMER
: Es war schon vier

Das Bier war grün, der Schnaps war rot

Am nächsten Tag war plötzlich Sommer. Ein bisschen schwül, aber ganz okay. Ich hatte drei Stunden geschlafen, war übermüdet und schwitzte. Komisch, wie guter Dinge ich war.

Eigentlich war ja viel danebengegangen: Mittags hatte ich vergeblich den Austragungsort der Kreuzberger Backgammon-Weltmeisterschaft gesucht; abends hatte ich zweimal wütend die Kneipe gewechselt, um schließlich – in der „Weißen Taube“ – in angemessener Umgebung das Pokalendspiel meiner Mannschaft anzugucken. Es war toll! Die festlichen Choreografien der Spieler meiner Mannschaft, sahen gut aus. Fast besser sogar als beim letzten Triumph vor neun Jahren. Guter Dinge war ich in den Billardsalon gegangen und hatte kein einziges Spiel gewonnen.

Ein paar Stunden später wurden wir als letzte Gäste mit einem Guten belohnt und guckten am Tresencomputer dies gentrifizierungs- und klientelkritische Video vom „Freien Neukölln“. Die Lieblingstresenkraft fragte uns nach der Meinung; wir hatten aber keine. Wenig später fuhr sie vorneweg durch die Hasenheide. Da und dort unterhielten sich Schatten im Dunkel auf den Bänken. Es war schon vier; das „Syndikat“ war ziemlich voll. Alles war vertraut. Die Musik, der Stil und die Leute und so. Das Syndikat gibt es schon so lange wie mich in Berlin. U. kannte hier jeden. Mein Geld war alle; immer wieder war aber jemand mit neuen Getränken vorbeigekommen. Das Bier war grün, der Schnaps war rot; die Mexikaner eher so Richtung orange. Auf dem Boden lag ein Hund, den man nicht betreten sollte. Alles war super gewesen. Gekonnt schoss ich die schwarze Kugel ins falsche Loch und realisierte erst sehr viel später, dass ich nicht gewonnen hatte. Dann war es plötzlich sehr hell gewesen; in der Sonne hatten wir auf dem Dach gesessen, über den Kapitalismus geredet und auf die anderen Dächer geschaut. DETLEF KUHLBRODT