Rote Karte für Heimbetreiber

FLÜCHTLINGE Nach den Misshandlungen in der Unterkunft in Burbach kündigt das Innenministerium dem umstrittenen Unternehmen European Homecare

Das Unternehmen soll davon gewusst haben, dass Sicherheitskräfte Flüchtlinge schlagen

VON ANJA KRÜGER

KÖLN taz | Das Unternehmen European Homecare (EHS) darf ab sofort die Flüchtlingseinrichtung in Burbach nicht mehr betreiben. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat EHC von allen Aufgaben entbunden und das Deutsche Rote Kreuz mit der Betreuung der Flüchtlingsunterkunft beauftragt. Damit zieht er die Konsequenzen aus neuen Vorwürfen gegen Mitarbeiter des Unternehmens.

„Angesichts der massiven Verdachtsmomente gegen den Leiter der Einrichtung und weitere Mitarbeiter ist das Vertrauen für eine zuverlässige Zusammenarbeit in Burbach nicht mehr gegeben“, sagte Jäger. Nach Bekanntwerden der Übergriffe auf Flüchtlinge in der Unterkunft in Burbach waren immer weitere Vorwürfe gegen EHC laut geworden. Das Essener Unternehmen soll davon gewusst haben, dass Sicherheitskräfte Flüchtlinge schlagen und brutale Strafmaßnahmen gegen Bewohner veranlasst haben. Das „Problemzimmer“ für „Problempersonen“, in dem die auf Fotos und Video festgehaltenen Misshandlungen stattgefunden haben, sei mit Billigung der Heimleitung eingerichtet worden, sagte der Inhaber der Firma SKI, Walter Stilper, in einem Zeitungsinterview. Gegen fünf ehemalige Mitarbeiter der Firma SKI wird wegen der Übergriffe ermittelt.

Die Staatsanwaltschaft Siegen hat Ermittlungen gegen den EHC-Chef Sascha Korte und den Leiter der Burbacher Einrichtung, einen 34-jährigen gelernten Versicherungskaufmann, eingeleitet. „In ihrem Fall wird dem Vorwurf nachgegangen, sie hätten zumindest von der Existenz von ‚Problemzimmern‘ und deren strafrechtlich relevanter Nutzung gewusst und diese nicht unterbunden“, erklärte der Siegener Oberstaatsanwalt Johannes Daheim. „In Betracht kommen insoweit Freiheitsberaubung und Nötigung in mittelbarer Täterschaft oder durch Unterlassen sowie Körperverletzungsdelikte.“ Am Montag hatten Ermittler Verwaltungsräume in Burbach und in der Unternehmenszentrale in Essen sowie die Wohnungen der beiden Beschuldigten durchsucht.

Von den zurzeit 20 Flüchtlingsunterkünften des Landes NRW hat EHC bislang 6 betrieben, die übrigen werden von Wohlfahrtsverbänden betreut. EHC wird in NRW zunächst weiterhin für 5 Flüchtlingsunterkünfte verantwortlich sein. Die Einrichtungen würden umfassend überprüft, sagte Innenminister Jäger. Bundesweit betreibt EHC 40 Flüchtlingswohnheime. „Ich bin mir sicher, dass auch meine Kollegen aus den Bundesländern mit EHC-Standorten mehr als nur kritische Fragen stellen werden“, sagte Jäger.

Der Minister ist unter Druck geraten. CDU und FDP verlangen seinen Rücktritt. Die Piratenfraktion hat eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. Die FDP fordert einen Flüchtlingsbeauftragten für NRW. „Wir müssen ein Zeichen setzen, dass wir in NRW Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen oder als Einzelfälle verharmlosen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Joachim Stamp.