Die Grenzen des Luftkriegs

ANGRIFF Bewegliche Ziele entgehen den Luftschlägen der USA. Die Zahl der Angriffe gegen den Islamischen Staat blieb bisher sehr begrenzt

BERLIN taz | Zwei Wochen lang hatte es Kritik daran gehagelt, dass die USA und ihre Verbündeten zu wenig tun, um den Vormarsch des Islamischen Staats“ (IS) auf Kobani aufzuhalten. Erst seit der Nacht zum Dienstag gibt es deutlich mehr Luftschläge, ausgeführt durch die USA, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Ob das wirklich Entlastung gebracht hat? Die ersten Einsätze gegen den IS vor Kobani flogen die USA am 27. September – was die IS-Einheiten dazu bewog, erst recht in die Stadt vorzurücken. Inzwischen, sagen Analysten, stehen IS-Kämpfer in bewohnten Gebieten an vielen Orten verstreut. „IS belagert die Stadt von drei Seiten und Kampfjets können nicht jeden einzelnen IS-Kämpfer treffen“, sagte Kurdensprecher Idris Nassa.

Die Luftangriffe der USA und ihrer Verbündeten in Irak und Syrien sind klassisch konzipiert. Sie richten sich vorzugsweise gegen feste Ziele: Gebäude, geparkte Fahrzeuge, Waffenlager, Landepisten, Truppenkonzentrationen. Lieblingsobjekte waren anfangs die IS-Stellungen an den Staudämmen von Mossul und Haditha im Irak und die IS-kontrollierten Ölraffinerien in Syrien – diese Punkte machen fast ein Drittel aller bisher geführten Luftschläge aus. Aber wie alle Zielpersonen von Luftkriegen setzen sich auch die IS-Kämpfer in Irak und Syrien nicht einfach hin und warten auf die nächste Bombe. Sie fliehen und passen sich an. Die radikalen Islamisten ziehen in zivile Häuser und hinterlassen ihre schwarzen Fahnen über leeren Gebäuden. Sie bewegen sich nicht in großen Gruppen mit gepanzerten Fahrzeugen, sondern in kleinen Teams auf Motorrädern.

Ohne eigene Späher und Aufklärung am Boden ist ein effektiver Luftkrieg unter diesen Umständen nicht möglich. Diese Erfahrung machten auch die Franzosen Anfang 2013 in Mali beim Einsatz gegen radikale Islamisten. Erst der Einsatz von Spezialkräften, gestützt durch Kampfhubschrauber, führte sie zum Erfolg. Im Irak beginnen die US-Streitkräfte erst jetzt, auch Kampfhubschrauber einzusetzen. Anders als ferngesteuerte Bomber können sie aus geringer Höhe, aber mehreren Kilometern Entfernung mobile Ziele beschießen, sagte Marinehubschrauberpilot Chris Harner vom US-amerikanischen Institute for the Study of War der Washington Post.

Insgesamt gesehen bleibt der Luftkrieg gegen IS ein sehr kleines Unterfangen. Im Irak begannen die US-Luftangriffe am 8. August, in Syrien am 22. September. Eine Aufstellung des zuständigen US-Regionalkommandos Centcom vom Dienstag listet bisher 266 Luftangriffe im Irak und 95 in Syrien auf – das sind im Irak durchschnittlich etwas über vier pro Tag und in Syrien sieben. Zum Vergleich: Im Kosovokrieg 1999 flog die Nato 38.000 Angriffe in 77 Tagen. DOMINIC JOHNSON