Castor-Gegner zahlen nicht für Räumung

Verwaltungsgericht: Technisches Hilfswerk kann sich Kosten von Gorleben-Einsatz nicht erstatten lassen. Als es Demonstranten aus einem Betonblock schnitt, leistete es keine Nothilfe, sondern half der Polizei. Einsatz der Staatsmacht zudem rechtswidrig

Die Deutsche Bahn lässt die Atomtransporte sein: Im April gab der Konzern bekannt, dass er seine 1985 gegründete Tochter Nuclear Cargo + Service (NCS) rückwirkend zum 1. Januar an die französische Firma Daher verkauft hat. Alle 125 Beschäftigten sollen übernommen werden. NCS wickelt unter anderem die Castor-Transporte nach Gorleben ab und hat im vergangenen Jahr 44 Millionen Euro Umsatz erzielt. Die Bahn will sich nun auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. dpa/taz

VON REIMAR PAUL

Die spektakuläre Betonblock-Blockade eines Castor-Transports nach Gorleben durch Atomkraftgegner im Frühjahr 2001 ist juristisch nun endgültig abgearbeitet. Vor dem Lüneburger Verwaltungsgericht scheiterte das Technische Hilfswerk (THW) mit dem Versuch, den vier beteiligten Atomkraftgegnern die Kosten dafür aufzudrücken, dass sie aus dem Beton geschnitten werden mussten.

Die Umweltschützer von Robin Wood und aus dem Wendland hatten sich damals auf der Castorstrecke bei Süschendorf an einen Betonblock gekettet und den Atommüllzug fast einen ganzen Tag lang aufgehalten. Erstmals in der Geschichte rollte der Zug sogar mehrere hundert Meter zurück. Die Aktion sorgte weltweit für Aufsehen. Der Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei) bemühte sich zunächst vergeblich, den Betonblock abzutragen und die vier Demonstranten von den Schienen zu schaffen.

In ihrer Not baten die Polizisten das THW um Amtshilfe. Das rückte mit Presslufthämmern und anderem schweren Gerät an und präsentierte nach dem Einsatz den vier Abgeräumten eine saftige Rechnung: 1.935 Euro müssten bezahlt werden, um die angefallenen Personal- und Sachkosten zu erstatten. Auch Tee und Wolldecken, mit denen Mitarbeiter seinerzeit Polizisten, THWler und Blockierer versorgt hatten, wurden aufgelistet.

In dem Verfahren konnten die Castorgegner jedoch dem Gericht deutlich machen, dass es sich beim Wirken des THW nicht um eine Nothilfeleistung für die Demonstranten handelte, sondern um einen Polizeieinsatz. „Es entsprach ja gerade dem Willen der Demonstranten auf der Schienenstrecke zu bleiben und dort als Teil einer Versammlung ihren Protest gegen den Castor-Transport zu kommunizieren“, argumentiert der Anwalt der Blockierer, Wolfgang Plener. „Eine Notsituation hat nicht bestanden.“

Das THW ist eine Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Innenministers und kann deshalb Gebühren allenfalls durch Bescheide erheben. Ein behördlicher Leistungsbescheid erging in dem Verfahren jedoch zu keinem Zeitpunkt. Außerdem hatte das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht zuvor schon festgestellt, dass der Polizeiein-satz gegen die Beteiligten der Betonblock-Blockade rechtswidrig war.

Das Schleswiger Gericht erkannte nämlich an, dass es sich bei der Ankett-Aktion um eine Versammlung handelte, wie sie durch das Grundgesetz besonders geschützt ist. Die Polizei hätte diese Versammlung vor ihrem Einschreiten für aufgelöst erklären müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.

Kostenersatz könne vom THW nur für rechtmäßige Einsätze verlangt werden, argumentierte nun die Verteidigung im Schadensersatz-Verfahren. Dieser Logik konnte sich offenbar auch das Hilfswerk nicht verschließen und zog seine Klage zurück. Das Verfahren wurde eingestellt, die Kosten dafür muss das THW tragen.

Robin Wood warf dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vor, er habe nach der Aktion „Stimmungsmache“ betrieben, um aus Gründen der Abschreckung eine möglichst harte Bestrafung zu erzielen. Dieser Versuch sei weitgehend ins Leere gelaufen, findet die Umweltorganisation. Schily hatte damals die „Inanspruchnahme von Störern auf Kosten-/ Schadensersatz“ angeordnet. Er wollte damit erreichen, dass die Atomkraftgegner auch finanziell abgestraft würden.

Auch frühere Gerichtsverfahren sind zumindest mit Teilerfolgen für die Castorgegner zu Ende gegangen. So bekam die Deutsche Bahn ihre ursprünglichen Schadensersatzforderungen von rund 10.000 Euro vor Gericht gerade einmal zur Hälfte durch. Strafrechtlich wurden die Ereignisse von mehreren Instanzen verhandelt. Schließlich kamen die Blockierer mit Geldstrafen wegen „Störung öffentlicher Betriebe“ davon. Zu einer Verurteilung wegen einer Nötigung, die den Angeklagten ebenfalls vorgeworfen wurde, kam es indes nicht.