Die Schäuble-Falle

betr.: „Wer die Muslime repräsentiert“, taz vom 3. 5. 07

Herr Schäuble hat offensichtlich ein Problem damit, dass die konservativen Muslime keinen Papst haben. Aber selbst Kommentator Daniel Bax fordert: „Auch die ungebundenen Muslime müssen sich organisieren.“ Müssen? Warum sind wir Deutschen nur so Vereinsmeier? Warum kommen wir nicht damit klar, dass Menschen offensichtlich nicht in Schubladen passen, keinem Verein angehören wollen und keinem Papst ihren Glauben übertragen?

Da können wir wirklich von den Muslimen lernen, denn außer Gott steht keine Regierung, keine Nationalität, keine ethnische Zugehörigkeit über dem Individuum. Warum soll denn bitte eine Frau, die in der dritten Generation in Deutschland lebt und zufällig einen türkischen Nachnamen hat und vielleicht in gleichgeschlechtlicher Gemeinschaft lebt, sich von irgendeiner „Islamkonferenz“ vertreten fühlen? Warum soll ein junger Arzt an einer deutschen Klinik, dessen Eltern aus dem Iran kamen, sich in die Schublade „Muslim“ drängen lassen, nur weil er beschnitten ist? Wir sind doch gar nicht Türken oder Christen oder Amerikaner. Wir sind komplexe Individuen. Und wir sollten nicht in die Schäuble-Falle treten, diese komplexen Biografien mit „Muslim“/„Nichtmuslim“ abstempeln zu lassen.

MARCEL KOLVENBACH, Köln