Regenbogenkoalition in Edinburgh?

Die Scottish National Party könnte mit den Liberalen und den Grünen eine Mehrheit bilden, doch die Regierungsbildung in Schottland hängt an der Frage der Unabhängigkeit

DUBLIN taz ■ Es war spannend bis zur letzten Minute. Am Ende lag die Scottish National Party (SNP) bei den Wahlen zum schottischen Regionalparlament am Donnerstag mit einem Sitz vor der Labour Party, die die schottische Politik mehr als 50 Jahre lang dominiert hat. Zur absoluten Mehrheit, das war bereits vor den Wahlen klar, hat es für die SNP nicht gereicht, und selbst wenn man sich mit den Liberalen Demokraten auf eine Koalition einigen sollte, würden zur Mehrheit im Parlament immer noch zwei Mandate fehlen. Die haben die Grünen, die erst vor kurzem ihr Nein zu jedweder Koalition revidiert haben. So wäre eine Regenbogenkoalition möglich.

Auf ein Regierungsprogramm könnte man sich wohl schnell einigen: In den Bereichen Gesundheit, Bildung und Wirtschaftsförderung gibt es weitgehende Übereinstimmungen zwischen den drei Parteien, neue Atomkraftwerke lehnen sie ab. SNP und Liberale wollen die Gemeindesteuer durch eine lokale Einkommensteuer ersetzen, weil das gerechter sei, denn die Besserverdienenden müssten mehr zahlen.

Aber da ist ja noch die Frage der schottischen Unabhängigkeit. Die SNP, so steht es in ihrem Wahlprogramm, will in drei Jahren ein Referendum dazu abhalten. Falls sie diesen Plan nicht aufgibt, braucht sie bei den Liberalen in Sachen Koalitionsverhandlungen gar nicht erst vorstellig zu werden, sagte deren Chef Nicol Stephen. Er möchte zwar ein bisschen mehr Macht für das Regionalparlament Holyrood House, aber eine Aufkündigung der 300 Jahre alten Union mit England komme nicht in Frage.

Falls keine Seite nachgibt, müsste SNP-Chef Alex Salmond eine Minderheitsregierung bilden. Das wäre für ihn eine schlechte Lösung, denn mit 47 von 129 Abgeordneten wäre er praktisch manövrierunfähig. Und er will den Schotten ja beweisen, dass sie der SNP die Regierungsgeschäfte ruhig anvertrauen können, um sie auf dieser Basis in ein paar Jahren von den Vorzügen der Unabhängigkeit zu überzeugen.

Einen erheblichen Vertrauensvorschuss haben ihm die Schotten bereits gewährt. Es war wie bei einer Präsidentschaftswahl. Während die Labour Party ehrlich, aber fantasielos „Scottish Labour Party“ auf die Stimmzettel schreiben ließ, stand neben dem SNP-Symbol: „Alex Salmond for First Minister“. So fiel etwas vom Glanz und Charisma des Parteichefs auf die unbekannteren SNP-Kandidaten ab. Darüber hinaus sorgte der Name dafür, dass die SNP bei den Stimmzetteln zur Listenwahl ganz oben stand, denn die Parteien werden alphabetisch aufgelistet.

Salmond ist sicherlich die schillerndste Figur in der schottischen Politik. Der 52-Jährige war Ölexperte bei der Royal Bank of Scotland, bevor er Mitte der Achtzigerjahre in die SNP eintrat. 1990 wurde Salmond Parteichef und führte die SNP 1997 zu den bis dahin erfolgreichsten Wahlen, bei denen die Partei ihre Westminster-Sitze von vier auf sechs erhöhen konnte. Im Jahr 2000 trat er zurück, änderte aber vier Jahre später überraschend seine Meinung und wurde mit 75 Prozent der Stimmen wieder zum Parteichef gewählt.

Für die linken Parteien war es am Donnerstag eine katastrophale Wahl. Tommy Sheridan, der die Scottish Socialist Party wegen eines Prozesses gegen ein Boulevardblatt, in dem es um sein Privatleben ging, gespalten hat, verlor seinen Sitz, und auch seine ehemaligen Genossen verloren ihre fünf bisherigen Mandate. Auch die Grünen gehören zu den Verlierern: Sie hatten sieben Sitze, hofften auf zehn und bekamen gerade mal zwei. RALF SOTSCHECK