Immer nur lächeln …

Blair ist stolz auf seine Leistung und denkt an die Zukunft. Brown dagegen übt, zugleich weicher und ernster zu sprechen

VON RALF SOTSCHECK

Sie mögen sich nicht sonderlich. Der britische Premierminister Tony Blair und sein Schatzkanzler Gordon Brown haben in den zehn Jahren, in denen sie das Land gemeinsam regierten, öfter so heftig gestritten, dass es die Nachbarn hörten. Meist ging es dabei um jenes ominöse Abendessen im Londoner Granta-Restaurant, bei dem sie sich darauf geeinigt haben sollen, dass Blair nach anderthalb Amtszeiten an Brown übergibt. Nun sind es zweieinhalb Amtszeiten geworden, und Blair hat den Kredit, den er und seine Partei vor zehn Jahren bei der Bevölkerung hatte, aufgebraucht.

Jetzt, wo Blair seinen Hut nimmt, scheinen sie Frieden miteinander geschlossen zu haben. Nach den Wahlen am vergangenen Donnerstag tauchte Brown unter, als die schlechten Ergebnisse nach und nach eintrudelten. Blair hingegen stellte sich der Niederlage, und er tat es immer noch mit seinem Lächeln, das aber längst nicht mehr natürlich wirkt. Es sei doch völlig normal, dass die Wähler zur Halbzeit einer Legislaturperiode mit der Regierung unzufrieden seien, sagte Blair. Man habe ihm viel Schlimmeres vorausgesagt.

Dabei war es schlimm genug: Nach 50 Jahren unangefochtener Herrschaft verlor Labour die Kontrolle über Schottland, in Wales fuhr die Partei das schlechteste Ergebnis seit 1918 ein und muss sich nun einen Koalitionspartner suchen, in den englischen Kommunalwahlen verlor sie 460 Mandate, während die Tories um 840 Sitze zulegten. Tory-Chef David Cameron hatte im Vorfeld gesagt, die verschiedenen Wahlen am Donnerstag seien „die letzte Gelegenheit, gegen Tony Blair, und die erste Gelegenheit, gegen Gordon Brown zu stimmen“.

Tony Blair wird wahrscheinlich am Donnerstag den Termin für seinen Rücktritt bekanntgeben. Nach G-8-Treffen in Heiligendamm und EU-Gipfel in Brüssel im Juni wird er sich wohl von der internationalen Bühne verabschieden. Dass Brown sein Nachfolger wird, steht so gut wie fest. „Ich habe immer gesagt, dass er ein großartiger Premierminister wäre, und das glaube ich auch“, sagte Blair vorige Woche. Es bleibt ihm auch nichts anderes übrig, als Browns Kandidatur zu unterstützen, schließlich ist er Teil seines politischen Nachlasses. „Ich glaube, dass diese Regierung die stärkste Wirtschaft in der westlichen Welt hinterlässt“, sagte Blair. Er verstehe aber, dass viele Leute ihm nicht mehr länger trauen, aber er vertraue nach wie vor den Leuten, dass sie sich am Ende eine vernünftige Meinung bilden. Und Brown in zwei Jahren wiederwählen?

Der muss den Spagat zwischen Kontinuität und Wandel schaffen. Einem Stimmtraining hat er sich bereits unterzogen, um weicher und ernster zu klingen – so ähnlich wie der US-amerikanische Expräsident Bill Clinton. Als Schatzkanzler hat Brown Anteil daran, dass die britische Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren stetig gewachsen ist und Inflation sowie Arbeitslosigkeit niedrig sind. Aber die Schere zwischen Armen und Reichen ist in dieser Zeit größer geworden als unter den Tories.

Blair hofft, dass seine Amtszeit für die Transformation der Krankenhäuser und Schulen stehen werde. Die Ausgaben für den Gesundheitsdienst stiegen von 34 Milliarden Pfund 1997 auf 94 Milliarden in diesem Jahr. Es gibt 20.000 zusätzliche Ärzte und 70.000 zusätzliche Krankenschwestern. Dennoch ist die Krise längst nicht gemeistert, die Wartezeiten bei nicht lebensbedrohenden Operationen sind nach wie vor lang. Und die 36.000 neuen Lehrer an den staatlichen Schulen haben die Flucht der Kinder aus besserverdienenden Familien in die Privatschulen nicht verhindert. Noch mehr Geld wird Brown nicht lockermachen können, zumal die Einnahmen aus dem Nordseeöl sinken – oder ganz ausbleiben, wenn Schottland unabhängig wird.

Kein britischer Premierminister ist mit so viel Vorschusslorbeeren angetreten und dann in der öffentlichen Gunst so tief gestürzt wie Blair. Vor zehn Jahren fanden ihn 63 Prozent der Bevölkerung vertrauenswürdig. Bei einer Umfrage vorige Woche fanden das nur noch 22 Prozent. Der Irakkrieg und die verlogene Rechtfertigung dafür sind sicher die Hauptgründe. Der frühere Labour-Chef Kinnock sagte, Blairs enge Verbandelung mit US-Präsident George W. Bush sei eine Tragödie, die alle seine Errungenschaften überschatte.

Brown hat das mitgetragen und dafür gesorgt, dass ihm in der Nahostpolitik die Hände gebunden sind. Dadurch hat er auch wenig Spielraum in der Europapolitik. Blair hatte bei seinem Amtsantritt versprochen, Großbritannien im Herzen Europas zu platzieren. Davon ist nichts übrig geblieben, die Insel ist weiter denn je von Europa entfernt – nicht zuletzt wegen Brown, der europaskeptischer ist als Blair, der kurz vor Schluss noch die EU-Verfassung retten will. Im Gepäck des Irakkrieges kam der Abbau bürgerlicher Freiheiten in Großbritannien, der mit dem Kampf gegen den Terrorismus begründet wurde.

Aber auch Filz, Korruption und eine Parteispendenaffäre, bei der Labour Adelstitel verkauft haben soll, sorgten dafür, dass Blairs Image als Saubermann auf der Strecke geblieben ist. Immerhin hat er drei Wahlen hintereinander gewonnen. Das hat kein Labour-Premier vor ihm geschafft. Indirekt macht Cameron ihm ein Kompliment, indem er versucht, den Blair von 1997 zu kopieren. David Blunkett, der zweimal von seinem Posten in Blairs Kabinett zurücktrat, sagte, dass man den Premier erst in 20 Jahren zu schätzen wissen werde. Bis dahin wird Blair ein reicher Mann sein. Lange wird er es nach seinem Rücktritt nicht im Unterhaus aushalten, und ins Oberhaus wird er sich nicht abschieben lassen. Vielleicht wird er EU-Präsident? Vielleicht kann er aber auch den Verlockungen des internationalen Vortragszirkusses nicht widerstehen, der schon Thatcher zu Wohlstand verholfen hat. Eine Statue in Westminster hat Blair bereits. Aber sie ist kleiner als diejenige Thatchers.