Prostituierte sollen professioneller werden

GEWERBE Experten empfehlen, Sexarbeiterinnen besser zu schulen – sind aber gegen ein Verbot

Es läge nahe, formale Voraussetzungen für eine Aufnahme dieser Tätigkeit festzulegen

BERLIN taz | Der „Runde Tisch Prostitution“ in Nordrhein-Westfalen sieht einige der im neuen Prostitutionsgesetz auf Bundesebene geplanten Maßnahmen kritisch. In dem Gremium haben sich – einzigartig in Deutschland – die zuständigen Landesministerien mit Beratungsstellen, Ordnungsämtern, Gleichstellungsbeauftragten und MenschenhandelsexpertInnen zusammengesetzt und vier Jahren lang 70 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis angehört, um sich eine Meinung darüber zu bilden, wie Prostitution reguliert werden kann. Am Mittwoch stellte der „Runde Tisch“ seinen Abschlussbericht vor.

Das Leitbild des Gremiums lautete: Je selbstbewusster und selbstbestimmter eine Prostituierte arbeiten kann, desto besser ist sie auch geschützt. Dementsprechend lehnen die Teilnehmenden ein Sexkaufverbot, wie es in Schweden existiert und teilweise auch in Deutschland gefordert wird, ab. Da ihre Freier kriminalisiert würden, hätten Prostituierte keine legalen Kunden mehr und könnten dementsprechend auch nicht offen und selbstbewusst auftreten, wurde bemängelt. Sie würden erpressbar. Zudem würden Escortagenturen und männliche Prostituierte von den Kontrollen ausgenommen, was einer Klassen- und einer Geschlechterdiskriminierung gleich käme.

Zugleich stellt der runde Tisch aber fest: „Eine umfassende Regulierung von Prostitution ist nicht möglich.“ Zu vielfältig sei das Rotlichtmilieu. Deshalb sei das wichtigste Ziel eine umfassende und spezifische Beratung der Prostituierten, die häufig erschütternd wenig Wissen über ihre Tätigkeit und die Möglichkeiten des Selbstschutzes und der Selbstfürsorge besäßen. Insbesondere die Armutsprostituierten aus Osteuropa seien aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse schwer erreichbar. Neue Konzepte seien vonnöten. Ziel sei die „Professionalisierung“ des Berufs, deshalb läge „es nahe, formale Voraussetzungen für eine Aufnahme dieser Tätigkeit festzulegen“. Eine „Belehrungspflicht“ wie im Lebensmittelgewerbe oder eine „Einstiegsberatung“ wird empfohlen.

Bordelle sollen, wie es auch Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) in ihren „Eckpunkten“ vorsieht, einer Genehmigungspflicht unterliegen. Die Straßenprostitution könne in eigens ausgewiesene Flächen verlegt werden, bei denen auch Schutz, Beratung und Hilfe gebündelt würden.

Abgelehnt dagegen wird eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung der Prostituierten, wie sie sich die Union wünscht. Durch den „Bockschein“ würden Kunden wegen der angeblichen Risikofreiheit geradezu ermutigt, Sex ohne Schutz zu fordern. Wichtiger seien Beratung und der einfache, anonyme Zugang zu medizinischer Versorgung.

Dafür, dass das Prostitutionsgesetz Menschenhandel begünstigt habe, wie es manche UnionspolitikerInnen behaupten, fand der runde Tisch keine Belege.

Bemerkenswert auch der Blick auf die Freier: „Eine nicht gelingende Integration sexueller Bedürfnisse in die privaten Beziehungen“ sei der Grund für das Aufsuchen von Prostituierten. Zwar gebe es Freier, die ein Dominanzverhältnis gegenüber Prostituierten anstreben, aber das sei nicht der Regelfall. „Dass man es nötig hat, auf Bezahlsex zurückzugreifen, werde als eher demütigend erlebt und tabuisiert“, hätten die ExpertInnen berichtet, und für eine Entstigmatisierung der Freier plädiert: Es gelte, „die gegenseitigen Abhängigkeiten und Aushandlungsprozesse in den Blick zu nehmen“, heißt es. „Eine Einbeziehung in einen offenen Diskurs ist anzustreben.“ HEIDE OESTREICH