Strom-Gegner formieren sich

15 Initiativen aus Südniedersachsen treffen sich heute, um den Widerstand gegen eine Hochspannungsleitung zu bündeln. Dabei wollen sie sich nicht über den Tisch ziehen lassen

AUS HANNOVER KAI SCHÖNEBERG

„Bad Gandersheim ist ein Kurort“, sagt Norbert Braun. „Wenn hier die Ungetüme stehen, kommen keine Gäste mehr“, ärgert sich der Sprecher der Bürgerinitiative aus dem Gandersheimer Ortsteil Dannhausen. Nicht nur er ist gegen die 180 Kilometer lange Stromtrasse, die eines Tages an seinem Haus vorbei von Wahle im Landkreis Peine ins nordhessische Mecklar führen könnte. Heute wollen sich rund 15 Initiativen aus der Region erstmals im Gandersheimer Kurhaus treffen, um ihre Kräfte gegen die Stromautobahn zu bündeln. Auch Bundestags-, Landtagsabgeordnete und Bürgermeister wollen kommen, Braun rechnet mit 500 Gästen: „Das wird wohl was Größeres werden.“

Es geht um eine 380.000-Volt-Freileitung, die Strom aus neuen Kohlekraftwerken und Windkrafträdern im Norden Richtung Süddeutschland befördern sollen. Bis zu 60 Meter hoch und 40 Meter breit sollen die Masten sein, die Schneise, die dafür an Dörfern und Siedlungen vorbei geschlagen wird, etwa 80 Meter breit. Seit bekannt wurde, dass das Land Niedersachsen die Trasse ins Landesraumordnungsprogramm (LROP) aufnehmen will, stehen Bürger und Politiker in der Region unter Hochspannung. Bereits 5.000 Unterschriften gegen das Projekt wurden gesammelt. Sie fürchten Migräne und Schlafstörungen durch Elektrosmog und magnetische Wellen, ganz zu schweigen von der Verschandelung der Landschaft.

Stargast in Gandersheim: Frank Windhorst, der bereits seit drei Jahren den Widerstand gegen die 60 Kilometer lange Stromtrasse von Ganderkesee bei Bremen ins Umspannwerk St. Hülfe bei Diepholz koordiniert. Nach der Festlegung des Korridors steht der Bauherr Eon Netz nun in der Region davor, die betroffenen Grundstücksbesitzer dazu überreden, Nutzungsrechte für die Stromriesen zu übertragen. Allerdings hat Windhorst bereits 500 Besitzer beisammen, die sich weigern wollen, mit Eon zusammenarbeiten.

Immerhin: Auch im Süden scheint bereits ein Etappensieg errungen. Die Trassen-Gegner wurden nicht nur unlängst von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) empfangen. Auch werde wegen „fachlicher Einwände“ die Trasse wahrscheinlich aus dem LROP genommen, sagt Gert Hahne vom für Raumordnung zuständigen Landwirtschaftsministerium. Stattdessen strebe das Ministerium nun ein eigenes Raumordnungsverfahren für die Stromleitung an. „Das dauert länger und wird breiter diskutiert werden“, sagt Hahne. Außerdem solle versucht werden, „einige Kilometer“ Trasse unterirdisch zu verlegen, allerdings nur als Pilotprojekt. Für das technisch noch nicht ausgereifte und teure Verfahren könnte es Geld aus EU-Fördertöpfen geben, sagt Hahne. Bislang gibt es in Deutschland unterirdische Starkstromtrassen nur in Berlin.

Das Einlenken hat nicht unwesentlich mit der Landtagswahl im kommenden Januar zu tun. Nach dem Termin dürfte die Politik nicht mehr so viel Angst vor einem Abstrafen an der Urne haben. „Vielleicht ist das nur ein Verschieben auf die lange Bank“, sagt Initiativler Braun. Darauf will er sich nicht einlassen: „Wir sind die Wähler.“ Wie die anderen Strom-Widerständler fordert er, die Trasse müsse komplett unter der Erde verschwinden. Die Kosten in Höhe von etwa 200 Millionen Euro dürften sich dadurch allerdings mindestens verdoppeln.

Eon schätzt sogar, dass das noch nicht ausreicht. Und sieht sich zudem durch gesetzliche Bestimmungen an die Vorgabe gebunden, möglichst günstige Leitungen zu bauen. Gegen ein eigenes Raumordnungsverfahren hat der Stromriese aber offenbar wenig einzuwenden. „Für uns ist maßgeblich“, sagt Eon-Sprecher Christian Schneller, „dass die Leitung 2015 steht.“