Die heilige Karoline von der Schlachte

Karoline Linnert, 48, ist Spitzenkandidatin der Grünen für die Bürgerschaftswahl in Bremen am kommenden Sonntag. Aufgewachsen ist sie allerdings auf dem Lande bei Bielefeld FOTO: AP

Allüren hat Karoline Linnert keine. „Vielleicht“, sagt sie, „sollte ich mir eine kleine Neurose zulegen.“ Karoline Linnert ist grüne Spitzenkandidatin in Bremen und der Satz ist natürlich pure Ironie, aber eben auch eine, bei der eine Spur Selbstzweifel mitschwingt: schauspielern, sich in Szene setzen, das sind Begabungen, die Menschen mit politischem Ehrgeiz durchaus einsetzen, um Wählerstimmen zu ergattern.

Linnert aber fehlen sie, trotz 16 Jahren Parlamentserfahrung. Nicht einmal einen vernünftigen Spitznamen hat sie, bloß dass die 48-Jährige, wie seit Menschengedenken jede Karoline, „Karo“ gerufen wird, woraus die Grünen als Wahlkampfgimmick eine Spielkarte haben basteln lassen; nun ja, irgendetwas in der Richtung braucht’s halt, nach herrschender Meinung wenigstens. Schwer zu sagen, ob das Linnerts Chancen am 13. Mai wesentlich erhöht. Gut sind sie ohnehin: Einerseits steuern die Grünen laut Umfragen ein Ergebnis von gut 14 Prozent an. Andererseits ist nicht mehr Henning Scherf der Präsident des Senats, sondern Jens Böhrnsen (beide SPD).

Scherf sei ein „anerkannter Grünen-Hasser“ gewesen, das ist eine wiederkehrende Wendung in Linnerts Wahlkampfreden. Seinen Nachfolger nennt sie dagegen stets einen „ernsthaften Politiker“. Es spricht viel dafür, dass Scherf vor allem ein Linnert-Hasser war. Schließlich hat diese Frau, die nicht einmal aus Bremen stammt, sondern aus einem Dorf bei Bielefeld, ihm, dem Altbremer, empfindliche Niederlagen zugefügt. Dass er 1999 wegen eines Knastskandals ein Misstrauensvotum überstehen musste, hatte er ihr zu verdanken. Später deckte sie auf, dass der Präsident des Senats am Haushaltsausschuss vorbei eine Millionenspende an die private International University of Bremen weitergeleitet hatte.

„Wir haben“, sagt Karoline Linnert, „stets einen hart an der Sache orientierten Kurs gefahren.“ Jüngstes Beispiel: die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Zwei hat es gegeben: Der eine beschäftigte sich mit dem Fall des zu Tode geprügelten Kleinkindes Kevin, das unter Aufsicht des Bremer Jugendamtes stand. Der andere durchleuchtete, unter Linnerts Vorsitz, das Dickicht des millionenschweren Bremer Klinikskandals.

Mehr als dreißig Ordner füllen die Zeugenvernehmungen und Dokumente, sie stapeln sich in Linnerts Büro an der Schlachte, direkt vis à vis der Weser. Ein Kraftakt, der die Energien für Werbeeinlagen geschmälert hat – aber sogar ihren politischen Gegnern Anerkennung abnötigt. Über Linnert äußern die sich entweder vorsichtig respektvoll. Oder lieber gar nicht. Schließlich wird am Sonntag gewählt.      BES