„Heimat ist woanders“

KULTURKIRCHE Die Theaterwerkstatt der Hochschule spielt den Tartuffe – islamfeindlich und deutsch

■ 61, Lehrer für Darstellendes Spiel, lange Jahre treibende Kraft des Schülertheaters, Leiter der Theaterwerkstatt der Hochschule Bremen.

taz: Ist Ihr Tartuffe etwas für Molière-Fans?

Holger Möller: Es ist eine Komödie. Wir haben den alten Stoff natürlich aktualisiert.

Wo liegt der Zusammenhang zur Islamophobie?

Die Protagonisten haben eine besondere Beziehung. Tartuffe schleicht sich in die christliche Familie Orgon ein, eine typisch deutsche Familie. Bei Molière ist er ein Heuchler, zum Beispiel will er es treiben mit der Frau des Patriarchen Orgon. Damals hat es darum einen großen Wirbel gegeben. Bei uns ist der Tartuffe ein Islamist.

Und Sie gehen mit dem Stück in eine protestantische Kirche?

Die Frage ist doch: Wer ist Tartuffe für uns heute? Ariane Mnouchkine hat ihn in den Kontext islamischer Fundamentalisten gestellt. Das haben wir aufgegriffen. Ein Fremder tritt in unsere Gesellschaft – wie wird er behandelt? Am Ende gibt es einen Showdown zwischen Islamisten und den Einheimischen, aber der Fremde kann schlussendlich sein Charisma einsetzen, so dass die Hetzparolen keine Rolle mehr spielen.

Warum in der Kulturkirche?

Am liebsten wäre ich in einen islamischen Raum gegangen. Ich sehe vom Stück her einen religiösen Kontext. Und wir haben in der Kulturkirche Freiräume: Wir haben ein zwölf Meter großes Bühnenbild, wir lassen ein drei Meter hohes Kreuz von den Islamisten in Brand setzen. Das Kirchenschiff ist mit Muttererde bedeckt, wir arbeiten auf deutscher Muttererde, die ein Fremder betritt. Augusto Jaramillo Pineda von der Steptext Company hat dazu Tanz-Elemente choreografiert. Interview: kawe

Aufführungen am 3.-5., 7. und 8. Juni um 21 Uhr in der Kulturkirche St. Stephani, Stephanikirchhof 8