ortstermin
: Im Mädchenraum

In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms

Huch: Schlangen vor der Frauentoilette. Wir befinden uns im Bauch der Ostkurve des Weserstadions, im Medienraum. Die Herren der Schöpfung herrschen eigentlich hier – und genießen eine dieser letzten Oasen, in denen das gute alte männliche Selbstverständnis noch etwas gilt. Jetzt besetzen 36 Fußballerinnen, die die Werder-Raute auf der Brust tragen und Teil der grün-weißen Erfolgsgeschichte werden wollen, die Schnittstelle von ruhmreichem Bundesligaclub und rühmenden Medien. Als „Projekt“ wird diese Öffnung des Vereins präsentiert. Ein Plakat des Frauenfußball-Sponsors versucht vergeblich all die Werbebanner der Männerfußball-Sponsoren zu verdecken.

Klar, Frauen haben auch sonst Zutritt zu diesem Ort, begnügen sich aber zumeist mit der Rolle der Türsteherin und kontrollieren mit bärbeißigem Blondinencharme die an Männern herumbaumelnden VIP- und Presseausweise – ob Einlass gewährt werden muss zu diesem fensterlosen, gut versteckten, geradezu frühchristlichen Kirchenraum, in dem die heiligen Phrasen der Fußball-Philosophie immer wieder neu gepredigt werden. Um eine klobige Säule pflegt Mediendirektor Tino Polster Hof zu halten, präsentiert die knurrigen Analysen von Trainer Thomas Schaaf. Auch ein Miro Klose flüsterte hier im Brustton kleinlauter Überzeugung sein Bekenntnis zu Werder. Was im Medienraum bei Hackepeter-Häppchen und Beck’s gesagt wird, steht tags darauf in den deutschen Sport-Feuilletons. Was hier heute gesagt wird, wird vornehmlich unter ferner liefen publiziert werden. Nicht die aufgeregte Langeweile der Pressekonferenzen herrscht, sondern geballte Unsicherheit und neugierige Ehrfurcht. Werder-Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer sucht die richtige Anrede: Akteure? Damen? Nein, Frauen sind’s, die für Werder in der kommenden Saison erstmals in der 4. Liga, der Bremer Verbandsliga, an den Start gehen werden – mit dem Ziel, sofort in die Regionalliga aufzusteigen. Schließlich sind Zweitliga- und sogar Nationalspielerinnen im Team. Übrigens auch die Töchter der ehemaligen Werder-Profis Benno Möhlmann und Mirko Votava. Weiterhin aufgestellt ist eine B-Juniorinnenfrauschaft, die in einer Jungen-Staffel antreten muss, da es in dieser Altersklasse in Bremen derzeit keine 11er-Mädchenmannschaften gibt.

Die Werder-Teams sollen eine Art Landesauswahl bilden, damit die leistungsstärksten bremischen Fußballerinnen nicht weiter ins niedersächsische Umland abwandern müssen. Wobei Klaus-Dieter Fischer Wert darauf legt, dass die Spielerinnen beider Teams nicht abgeworben wurden. Man wolle auch weiterhin nicht mit der Sogwirkung, die von Werder ausgeht, anderen Vereinen schaden. In Zukunft würden im Juniorinnen-Bereich nur Mädchen aufgenommen, die noch keinem anderen Verein angehörten. Gespielt und trainiert wird auf der Sportanlage der Uni Bremen, da Werders Plätze mit 40 Jungs- und Männerteams bereits belegt sind. Abgeschoben aber fühlen sich die Nachwuchskickerinnen nicht. Sie genießen erst einmal die feierliche Medienraum-Liturgie. Auch wenn die Zukunft des Fußballs weiblich sein sollte: so schnell geht nicht noch einmal so ein Blitzlichtgewitter auf die Spielerinnen nieder. Der Medienraum wird wieder von Männern belebt werden.JENS FISCHER