Koalition vorerst außer Gefahr

„Menschen machen Fehler. Ich habe auch welche gemacht“, sagte der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner gestern. Die große Koalition hat einen Bruch vorerst abgewendet, doch die Atmosphäre bleibt angespannt

Die Kieler Koalitionskrise ist offiziell beendet: Gestern Nachmittag trat der SPD-Landeschef Ralf Stegner vor die Presse und räumte Fehler ein: In einer „selbstkritischen Betrachtung“ sei ihm klar geworden: „Mein erster Vorstoß als Vorsitzender hat sich nicht als erfolgreich erwiesen, weil er sich nicht umsetzen ließ.“

Stegner hatte vorgeschlagen, Steuermehreinnahmen unter anderem an Landesbedienstete zu verteilen, um Kürzungen aus dem Sparhaushalt des Vorjahres wieder auszugleichen. Die CDU hatte empört reagiert: Ein Abweichen vom verabredeten Sparkurs der Regierung sei mit ihr nicht zu machen. Nachdem zuerst der stellvertretende Vorsitzende der Landes-CDU, Torsten Geerdts, Stegners Vorgehen scharf verurteilt hatte, griff später auch der Ministerpräsident und Parteivorsitzende Peter Harry Carstensen in die Debatte ein – er fühlte sich von Stegner persönlich angegriffen. „Mich ärgert das“, sagte er bei einem Parteitag in der vergangenen Woche: Starke Worte für den Nordstrander, der sonst immer einen Grund zum Lachen findet.

Nur knapp schlitterte das Bündnis am Bruch vorbei: Bei einem Krisengespräch am Montag gelang es beiden Parteien, den Burgfrieden wieder herzustellen, Stegner entschuldigte sich bei Carstensen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Lothar Hay teilte gestern mit, seine Fraktion sehe keinen Grund, die Koalition zu beenden: „Wir wollen in dieser Legislaturperiode mit der CDU noch wesentliche Themen abarbeiten.“ Im Vordergrund stehe die Haushaltskonsolidierung, sagte Hay.

Sein Gegenpart, der CDU-Fraktionschef Johann Wadephul, äußerte sich nach dem Ende der Beratungen ebenfalls zuversichtlich über das Fortbestehen der Koalition. Nicht die Zusammenarbeit mit der SPD sei gestört gewesen: „Es hat eine Störung gegeben zu Herrn Stegner.“ Eine derartige Belastungsprobe könne das Bündnis aber nicht häufig aushalten.

Der Friede ist brüchig: Schon die bloße Ankündigung Stegners, eine weitere Pressekonferenz abhalten zu wollen, sorgte für weitere Spekulationen. Offenbar waren sich nicht einmal die eigenen Parteifreunde sicher, ob der ehrgeizige Innenminister nicht schon wieder Öl in das schwelende Feuer gießen wollte. Er tat es nicht: „Menschen machen Fehler. Ich habe auch welche gemacht“, sagte er. Politisch angeschlagen sei er aber nicht: Der Rückenwind des Parteitages – bei dem er mit überwältigender Mehrheit zum Vorsitzenden gewählt wurde – reiche aus, um die „Delle“ auszubügeln. Auch über mangelnde Unterstützung seiner Partei könne er sich nicht beklagen. Über die Eigendynamik, die die Diskussion angenommen habe, sei er in Teilen überrascht, sagte Stegner.

Ob und wie es weitergeht, darf spekuliert werden. Dass Stegner und Carstensen einander nie lieben werden, ist kein Geheimnis. Statt die großen Probleme des Landes anzupacken, „verkämpfen sich Carstensen und Stegner immer wieder miteinander“, sagt die Landesvorsitzende der Grünen, Marlies Fritzen und gab den Großkoalitionären zu bedenken: „Verantwortung für das Land zu übernehmen kann auch bedeuten, den Weg für Neuwahlen frei zu machen.“

Anke Spoorendonk (SSW) ahnt Schlimmes für den Rest der Legislaturperiode: „Die Fortsetzung der Zwangsehe von CDU und SPD wird eine Qual für Peter Harry Carstensen, Ralf Stegner und den Rest Schleswig-Holsteins werden. Eine Politik, die das Land voranbringt, ist von diesem Duo nicht mehr zu erwarten.“ Auch ihr Rat zur Stunde: Neuwahlen. Nur die FDP hält sich mit einer klaren Stellungnahme zurück: Ihr Landeschef Wolfgang Kubicki hatte Stegners Vorschlag, Mehreinnahmen auszuschütten, erst gelobt.ESTHER GEISSLINGER