EU: Kandidatin wirft das Handtuch

KOMMISSARE Das Europaparlament lehnte die Slowenin Alenka Bratusek einmütig ab. Mit Erfolg

In das Gremium drängen mehrere umstrittene Politiker

BERLIN taz | Die Slowenin Alenka Bratusek will nach ihrem Scheitern im Europaparlament nicht mehr EU-Kommissarin werden. Er habe die Nachricht am Donnerstag erhalten, teilte der künftige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel mit. „Ihre Entscheidung zeigt ihr Engagement für die Europäische Union, für Slowenien und für das demokratische Verfahren“, erklärte Juncker. Mit ihrem Rücktritt helfe sie ihm, die Zusammensetzung seiner neuen Kommission abzuschließen. Die neue Kommission soll am 1. November starten. Slowenien muss nun einen neuen Anwärter benennen.

Abgeordnete der Parlamentsausschüsse für Umwelt und Industrie hatten am Mittwoch mit großer Mehrheit die sozialliberale Bratusek zurückgewiesen. Sie war für den herausgehobenen Posten einer Vizepräsidentin für die europäischen Energieunion vorgesehen. Schon nach dem Votum galt die frühere Regierungschefin Sloweniens als untragbar. Ihr wurde vorgeworfen, sich de facto selbst für das Brüsseler Amt nominiert zu haben.

Die Regierung in Slowenien hatte zuvor schon Einlenken signalisiert. In zwei oder drei Tagen, also vermutlich am Wochenende, will Lubljana einen Nachrücker nominieren – im Gespräch ist die Europaabgeordnete Tanja Fajon.

Junckers „Dreamteam“ geht dennoch mit einem massiven Handicap an den Start: Selbst heftig umstrittene Wackelkandidaten wie der Brite Jonathan Hill (Finanzmärkte) oder der Spanier Miguel Arias Cañete (Energie) werden mit dabei sein. Gegen Cañete, der noch kürzlich im Ölgeschäft aktiv war, entwickelt sich in Spanien eine riesige Protestbewegung; sie hat schon über 600.000 Unterschriften gesammelt. Hill, einem ehemaligen Lobbyisten der Finanzindustrie der City of London, schlägt selbst in Brüssel Misstrauen entgegen. Vor allem die Sozialdemokraten hatten gegen Hill Front gemacht.

Schließlich stimmten sie seiner Nominierung aber doch zu – offenbar, um „ihren“ Kandidaten, den französischen Sozialisten Pierre Moscovici, zu retten. „Mit diesem schrägen Deal tritt die Große Koalition im Parlament die Demokratie mit Füßen“, kritisierte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold prompt.

Das Anhörungsrecht des Parlaments werde durch Parteitaktik ausgehebelt, klagt Giegold. Zudem seien die Sozialdemokraten nun mit schuld daran, wenn in der Europäischen Union der Austeritätskurs fortgesetzt werde. Im Wahlkampf hatten die Sozialdemokraten noch einen „Politikwechsel“ gefordert. Doch ausgerechnet der frühere SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz drängt jetzt bei dem Procedere auf eine schnelle Einigung.

ERIC BONSE