Behinderte Begehren

DIREKTE DEMOKRATIE Obwohl sie schon lange möglich sind: In Schleswig-Holstein kommt es zu selten zu Bürgerentscheiden, findet der Verein „Mehr Demokratie“. Schuld seien formale Gründe

„Entscheidungen werden nicht von heute auf morgen getroffen“

ROLF SÖRENSEN, „MEHR DEMOKRATIE“

Sollen Windräder im Dorf gebaut, das Schwimmbad privatisiert oder Straßen anders geführt werden? Über solche Fragen kann in Schleswig-Holstein seit 1990 per Bürgerbegehren und -entscheid entschieden werden. Das Land war nach Baden-Württemberg das zweite überhaupt, das dieses Instrument einführte. Genutzt wurde es seither 347 Mal.

Nicht gerade viel, sagt Rolf Sörensen, Landesvorsitzender des Vereins „Mehr Demokratie“: „Bayern kam in 15 Jahren auf 1.700 Verfahren.“ Sind Süddeutsche also streitfreudiger, Nordlichter obrigkeitshöriger? Nein, sagt Sörensen, dessen Verein am Freitag in Kiel eine Studie zu Bürgerbegehren und -entscheiden vorstellte: Formale Gründe erschwerten im Norden den Weg zur direkten Demokratie.

So sind Fragen der Bauleitplanung, die in Bayern ein Viertel aller Bürgerbegehren ausmachen, in Schleswig-Holstein ausgeschlossen. Und: „Gegen einen Gemeinderatsbeschluss muss man in Schleswig-Holstein binnen sechs Wochen Stimmen gesammelt haben“, sagt Sörensen, „in Bayern gibt es keine Begrenzung.“

Trotz aller Hürden und Hemmnisse habe eine Initiative, „zu 40 Prozent Erfolg mit ihrem Begehren“, nennt Sörensen ein Ergebnis der Zahlen, die der Verein mit der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie an der Uni Wuppertal erhob und auswertete.

Vor allem in den vergangenen zwei Jahren ging es immer wieder um den Bau von Windrädern, bei denen sich mit knapper Mehrheit die Gegner durchsetzen. Das Argument, Basisdemokratie könne unter dem Strich ungewollte Folgen haben, lässt Sörensen nicht gelten: „Die Verfahren sind so angelegt, dass Entscheidungen nicht von heute auf morgen getroffen werden. Alle Seiten haben Zeit, ihre Positionen darzustellen.“ Mehr Demokratie setzt sich dafür ein, das Verfahren der Bürgerbegehren zu reformieren. Unter anderem solle auch die Bauleitplanung zugelassen werden. EST