AFRIKA-HILFE: KEIN MANGEL AN IDEEN, SONDERN AN POLITISCHEM WILLEN
: Erstaunlich präzise Debatten

Abseits von den Protesten, Razzien und Sicherheitsdebatten rund um den G-8-Gipfel in Heiligendamm in einem Monat finden über inhaltliche Themen derzeit erstaunlich präzise Debatten statt. Hilfe für Afrika, seit Jahren und auch dieses Jahr wieder Lieblingsthema von G-8-Gipfel-Gastgebern auf der Suche nach Profil, wird dieser Tage einer selten gründlichen Betrachtung unterzogen, so gestern von der Deutschen Welthungerhilfe und dem Hilfswerk Oxfam. Leider ist nicht damit zu rechnen, dass die daraus gewonnenen Erkenntnisse rasch in praktische Politik umgesetzt werden.

Denn zwei wesentliche Erkenntnisse dabei sind unbequem. Die erste: Allen Zusagen zum Trotz steigt die Hilfe für die Ärmsten nicht. Die beim G-8-Gipfel von Gleneagles 2005 gemachten Zusagen, die internationale Entwicklungshilfe bis 2010 zu verdoppeln, wird nach gegenwärtigen Trends weit verfehlt, sagt Oxfam. Und auch für die nächsten Jahre ist keine Trendwende zu erwarten.

Die zweite Erkenntnis: Entgegen dem landläufigen Vorurteil, Geld für Afrika sei hinausgeworfenes Geld, kann bei richtigem Einsatz viel mehr erreichen werden als gegenwärtig – wenn nur die Politik stimmt. Konzentration auf die Sicherung der Lebensverhältnisse der Ärmsten und auf den ländlichen Raum, so analysiert die Welthungerhilfe, ist am effektivsten und müsste dringend ausgebaut werden.

Beides zusammen läuft auf eine simple Erkenntnis hinaus: Afrika braucht mehr Hilfe – und zwar andere Hilfe. Das gefällt in den Entwicklungshilfeapparaten der reichen Länder nur wenigen, denn damit geraten liebgewonnene und lukrative Gewohnheiten auf den Prüfstand. Außerdem müssen sich Experten mehr als bisher anstrengen, um viel genauer als bisher gesellschaftliche Entwicklungen weitab der Eliten wahrzunehmen.

Wenn die Entwicklungszusammenarbeit dadurch aus dem Schatten der Diplomatie und der Expertenpfründen heraustreten könnte, wäre den Afrikanern tatsächlich geholfen. Kein Staatengipfel der Welt wird das beschließen. Aber die Debatte darüber ist willkommen. DOMINIC JOHNSON