Kaum Spielraum für Harmonie

BEZIEHUNGEN Nächste Woche reist die Kanzlerin nach Washington. Wichtiges Thema: die Entwicklung in der arabischen Welt. Die Lage ist verfahren

 Der Termin: Nächsten Montag reist die Kanzlerin nach Washington. Zum Staatsbesuch nimmt Angela Merkel einige Minister und Wirtschaftsvertreter mit. US-Präsident Barack Obama gibt ihr zu Ehren am Dienstag ein Bankett im Weißen Haus. Und sie bekommt die Freiheitsmedaille des Präsidenten, neben der Goldenen Ehrenmedaille des Kongresses der höchste Orden, den die USA an Zivilisten vergeben. Anders als George W. Bush, der Merkel als Personifizierung der friedlichen Revolution in Ostdeutschland verehrte, pflegt Obama kein besonderes Verhältnis zur Kanzlerin. Beim G-8-Gipfel lobte er gleich mehrfach Nicolas Sarkozy.

VON BETTINA GAUS

Am Ende wird wieder viel davon die Rede sein, dass die Chemie nicht stimmt zwischen den beiden. Spin-Doktoren werden das mit einer launigen Anekdote zu widerlegen versuchen, die beweisen soll, dass Angela Merkel und Barack Obama sich allen Gerüchten zum Trotz ganz prächtig verstehen. Dabei spielt persönliche Sympathie in Wahrheit nicht die geringste Rolle beim Besuch der Bundeskanzlerin nächste Woche in den USA – jedenfalls nicht im Zusammenhang mit einem der wichtigsten Themen: nämlich der Haltung des Westens zur Entwicklung in der arabischen Welt. Haltung? Die Lage ist inzwischen derart verfahren, dass selbst Romeo und Julia wohl nur schwer zu einer gemeinsamen Linie finden könnten.

Das ist auch Mitgliedern der Regierungsparteien in Deutschland nicht entgangen. Man könne lediglich hoffen, so heißt es aus Kreisen der Union, dass vor allem über die Situation in Tunesien, Ägypten und Syrien gesprochen und das Thema Libyen weitgehend ausgeklammert werde. Eine bescheidene Hoffnung im Hinblick auf einen Besuch, der darauf angelegt ist, mit hübschen Bildern den Berichten über eine Verstimmung zwischen Berlin und Washington etwas entgegenzusetzen. Immerhin bekommt Angela Merkel von Barack Obama die Freiheitsmedaille des Präsidenten verliehen – eine der beiden höchsten zivilen Auszeichnungen in den USA. Und eine gute Gelegenheit für schmeichelhafte Fernsehaufnahmen. Mehr aber auch nicht.

Im Hinblick auf Libyen haben die beiden Regierungschefs einander wenig zu sagen, obwohl es viel zu besprechen gäbe. Die Gefahr wächst, dass die Nato dort als Partei in einen Bürgerkrieg verwickelt wird. Vom UN-Mandat, das die Erzwingung einer Flugverbotszone vorsieht, ist längst nicht mehr die Rede. Vom notwendigen Schutz der Zivilbevölkerung reden hingegen wieder einmal viele. Und worum geht es wirklich? US-Außenministerin Hillary Clinton sprach schon bald nach Beginn der Militärangriffe offen davon, das Ziel der Operation sei ein Regimewechsel. Russland und die Arabische Liga dürften es sich danach gut überlegen, ob sie noch einmal – wie im Falle Libyens – einen UN-Beschluss mittragen oder sich ihm wenigstens nicht widersetzen. Sie wurden über den Tisch gezogen.

Natürlich lässt sich jetzt argumentieren, all das beweise doch, dass die deutsche Bundesregierung mit ihrer Skepsis gegenüber dem Militäreinsatz in Libyen richtig gelegen habe. Man muss ja nicht so taktlos sein, in diesem Zusammenhang von Hoffnungen auf einen Wahlsieg in Baden-Württemberg zu sprechen. Das Problem, das auch nach den Landtagswahlen fortbesteht: Mit der Enthaltung im Weltsicherheitsrat hat sich Deutschland vorübergehend aus dem Nato-Bündnis verabschiedet. Und somit von der Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Wer nicht dabei ist, kann auch keinen Druck ausüben, wenn die Partner aus eigener Sicht folgenschwere Fehler machen. Also beispielsweise ein Mandat überdehnen. Ohnehin scheint Barack Obama – übrigens in erstaunlicher Übereinstimmung mit seinem Vorgänger George W. Bush – der Nato einen immer geringeren Stellenwert einzuräumen. Wie er kürzlich bei seiner Rede vor dem britischen Unterhaus in London deutlich machte.

Sollten Angela Merkel und Barack Obama deshalb also über Syrien reden, wenn sie Einigkeit demonstrieren wollen? Vielleicht. Dumm nur, dass auch der Handlungsspielraum des Westens gegenüber dem syrischen Regime von der Entwicklung in Libyen beeinflusst wird.

Deutschland hat sich in der Libyen-Frage im Weltsicherheitsrat enthalten – und wer nicht dabei ist, kann jetzt auch keinen Druck ausüben

Demokraten in Ägypten fragen derzeit gerne sarkastisch, wer denn eigentlich die libysche Opposition sei, die der Westen unterstütze. Sie wüssten es nämlich nicht. Wenn man dann hilflos die Schultern zuckt und sagt, dass man es auch nicht weiß und leider nicht einmal jemanden kennt, der es weiß, dann mischt sich Bitterkeit in die Ironie der anderen Seite. Unbewaffnete syrische Zivilisten blieben also auch weiterhin auf sich gestellt, weil die USA und Europa ja mit Libyen genug zu tun hätten?

An dieser Sicht der Dinge ist etwas dran. Womit soll man dem syrischen Regime denn derzeit drohen? Mit Handelssanktionen? Die könnte Moskau allemal ausgleichen und täte das vermutlich gerne – nicht nur wegen der traditionell guten Beziehungen zu Damaskus, sondern eben auch wegen der verständlichen russischen Verärgerung über die Entwicklung in Libyen.

Wenn Angela Merkel und Barack Obama vor allem Harmonie demonstrieren wollen, dann sollten sie sich also vielleicht bei ihren Gesprächen auf Ägypten beschränken. Dort herrscht nach dem angeblichen Sieg der Demokratiebewegung ja noch immer der Ausnahmezustand, nach wie vor werden Demonstranten dort von militärischen Schnellgerichten verurteilt. Dagegen könnte der Westen protestieren. Angesichts der ägyptischen Abhängigkeit von westlichem Geld bliebe das vermutlich nicht wirkungslos. Und es wäre allemal wichtiger als Fernsehbilder einer Ordensverleihung.