Am versteckten See
: Nicht allein

Eine Welle aus schrillen Frauenstimmen und Kindergreinen rollt auf uns zu

Schampus, Kaviar, Weißbrot mit Butter. Dazu ein paar Heidelbeeren und zwei Flaschen Wasser. Wir packen alles ins Auto. Es ist warm, der Himmel wolkenfrei, ein sonniger Herbsttag in diesem Jahr.

Wir wollen allein sein. Reden, aufs Wasser schauen, Sekt trinken, blaue Beeren und roten Kaviar essen. Wir steuern einen See in Brandenburg an, weit hinter der Stadtgrenze. Wir fahren eine Weile über die Autobahn, Berlin ist schon nicht mehr wahr. Wir denken: Der See liegt so versteckt, den kennt niemand. Bis auf ein paar Anwohner vielleicht. Der See hat keinen richtigen Strand, nur schlammig-modrige Einstiege ins Wasser und ein winziges Stück flach getretener Wiese.

Dort spielen sonst Kinder, die in den Häusern am Wasser wohnen. Die Jugendlichen des Dorfs machen hier manchmal Lagerfeuer, rauchen heimlich und trinken Mädchenbier. Jetzt wirbelt der Wind verkohlte Holzreste und Asche durch die Luft.

Wir schauen aufs Wasser, trinken, essen, reden. Dann schlafen wir ein. Und werden jäh geweckt. Eine Welle aus schrillen Frauenstimmen und Kindergreinen rollt auf uns zu. Dazwischen Männerbässe. Noch bevor wir die Augen vollständig aufschlagen können, breiten die Frauen und Männer viele Picknickdecken aus, darauf verteilen sie Spielzeug, Zeitungen und den Inhalt ihrer Kühlboxen. Dazwischen setzen sie ihre kleinen Kinder, mit Sommerhütchen und Sonnencremepackung.

Wir schweigen, sie reden.

Über die Kinder, den Job, ihre Wohnungen, in denen es im Sommer unerträglich schwül sei. Dass Franz und Johanna jetzt ein Kind bekämen, na endlich. Ich denke: Die klingen wie die Profi-Eltern aus meinem Kiez, Helmholtzplatz, Prenzlauer Berg. Ich drehe meinen Kopf und sehe: Es sind die Profi-Eltern aus meinem Kiez.

Pregnancy Hill kommt überall hin. SIMONE SCHMOLLACK