jürgen biederer, radiologe und tierfreund
: Süße Träume und Schlachtschweine

JÜRGEN BIEDERER, 37, ist Oberarzt an der Uniklinik für diagnostische Radiologie in Kiel. Foto: privat

Als der Kieler Arzt und Radiologe Jürgen Biederer anfing, an einem Brustkorb aus Plexiglas zu tüfteln, hatte er seine eigene, möglichst ungestörte Nachtruhe im Sinn. Einige Jahre später haben ihm seine Mühen 15.000 Euro Preisgeld beschert: Biederer hat im April den Felix-Wankel-Tierschutz-Forschungspreis erhalten, weil sein Plexiglas-Brustkorb vielen Tieren ein Schicksal als Versuchsobjekt im radiologischen Labor erspart – und ihm selbst schlaflose Nächte voller Gewissensbisse.

In das Plexiglas-Modell füllt Biederer Schweinelungen, die er vom nächsten Schlachthof holt und bei denen er sogar Atmung und Durchblutung simulieren kann. Ganz ohne tierisches Material geht es also nicht, aber wenigstens wird kein Schwein nur für die Forschung getötet oder gequält. Die Schweinelungen präpariert er mal mit künstlichen Tumoren, mal mit einer simulierten Lungenentzündung. Weil er weiß, was er dann auf einem Bild der Lunge sehen müsste, kann er an der radiologischen Aufnahmetechnik feilen.

Leider gehe es in der Medizin nicht völlig ohne Tierversuche, sagt Biederer. Viele Forscher würden sich aber zu wenig anstrengen, sie zu vermeiden – und jeden Tierversuch für Kosmetika findet Biederer „völlig daneben“. Er selbst trägt auch gerne einen Igel über die Autobahn.

Schon mit 34 Jahren wurde Biederer habilitiert. Für die Radiologie hat sich der Sohn eines Ingenieurs auch wegen der faszinierenden Geräte entschieden. Wenn er Patienten in Röhren schiebt oder ihnen Kontrastmittel spritzt, will Biederer diese „unmenschlichen Maschinen mit ein bisschen Menschlichkeit verbinden“. Sein Plexiglas-Modell verwenden mittlerweile auch Radiologen an anderen Universitäten, sodass Biederers Arbeit schon viele Tierversuche verhindert hat. „Eigentlich ganz witzig, dass da vor mir noch keiner dran gedacht hat“, sagt Biederer. KC