Für Hamburger Studierende tickt die Uhr

Die Boykottbewegung gegen Studiengebühren ist erlahmt, aber noch bleibt das Mittel des Widerspruchs. In Hamburg müssen die Studierenden allerdings sofort protestieren – in Niedersachsen dagegen können sie sich Zeit lassen

Beim Versuch, die Studiengebühren zu kippen, gibt es zwei Strategien: Die eine setzt auf einen kollektiven Boykott, die andere auf möglichst viele Widersprüche und Klagen. Letztere verfolgt der Asta der Uni-Hamburg. Bislang haben laut Asta-Sprecher Thorsten Hönisch über 2.000 Studierende Widerspruch eingelegt. Der Asta werde möglichst schnell Musterklagen einreichen, die nach Fallgruppen aufgeteilt möglichst viele Studierende betreffen. Ein häufiger Klagegrund dürften die Studienbedingungen sein, die für viele trotz Gebühren nicht besser, sondern schlechter geworden sind. Mit der Umstellung auf die Bachelor-Studiengänge, die doppelt so gut betreut sein müssen wie Diplomstudiengänge, wurde der Lehrplan für die verbleibenden Diplomstudenten ausgedünnt. Bei den Wirtschaftswissenschaften hätten die Studenten „selbstorganisierte Lerngruppen gebildet“, berichtet Hönisch. Sie bezahlten mit eigenem Geld einen Tutor.  KAJ

Von KLAUS WOLSCHNER

Für mehr als 60.000 Studierende in Hamburg, die in den letzten Wochen einen Gebührenbescheid ihrer Hochschule bekommen haben, tickt die Uhr. Wer bis Mitte Mai nicht formell Widerspruch eingelegt hat, kann das später nicht nachholen – der Gebührenbescheid ist ein „Dauerbescheid“ und gilt für das gesamte Studium in Hamburg. „Wer also jetzt nicht Widerspruch einlegt, der versäumt wichtige Rechtsfristen“, sagt der Bremer Anwalt Christian Haisch, der bundesweit Studierende vertritt.

In Niedersachsen gibt es gar keine Widerspruchs-Regelung – das hat den Vorteil, dass keine Frist läuft. Und den Nachteil, dass jeder, der die Gebührenbescheide nicht hinnehmen will, direkt vor Gericht klagen muss. Wann und in welcher Weise das Bundesverfassungsgericht in Studiengebühren-Fragen urteilen wird, das sei derzeit nicht absehbar, sagt Anwalt Haisch. Doch umso länger es dauert, desto höher sind die Summen, um die es für die Hamburger Studierenden geht.

In Bremen sind nach der einstweiligen Verfügung des Verwaltungsgerichtes die Studiengebühren ganz gestoppt worden – mit dem Hinweis, dass die unterschiedliche Behandlung von Studierenden nach dem Wohnort-Kriterium „mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren“ sei. In Bremen waren nach dem bis heute geltenden Gesetz vor einem Jahr Gebührenbescheide an rund 4.500 Studierende des dritten bis 14. Semesters verschickt worden, die nicht ihren ersten Wohnsitz im Land Bremen haben – 300.000 Euro liegen seit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes auf einem Sperrkonto, bis das Verfahren endgültig entschieden ist.

Der Bremer Bildungssenator will bis nach Karlsruhe gehen mit seinem „Landeskinder-Modell“. Sollte die Rechtsauffassung der Verwaltungsrichter da in ein paar Jahren bestätigt werden, bekommen die Studierenden ihre 500 Euro zurück. Einen Anspruch darauf haben aber nur die, die 2006 formal Widerspruch eingelegt hatten.

In den deutschen Bundesländern herrscht inzwischen bei den Studiengebühren mehr Ungleichheit und Chaos als je zuvor. Während das Erststudium derzeit in Schleswig-Holstein und Bremen gebührenfrei ist, sind in Hamburg und Niedersachsen an alle Studierenden Gebührenbescheide verschickt worden – aus verwaltungstechnischen Gründen an die Rückmeldung gekoppelt. Die Sanktion, die damit angedroht wird, ist hart: Wer nicht zahlt, wird exmatrikuliert.

Während das niedersächsische Gesetz über „Studienbeiträge“ nur soziale Befreiungs-Tatbestände kennt, können in Hamburg auch Studierende wegen ihrer herausragenden Leistungen bei Abi oder im Studium von den Studiengebühren befreit werden. Auf die Möglichkeit, auch ohne solche Sondertatbestände formal Widerspruch einzulegen, werden Studierende aber nicht besonders hingewiesen.

Die Hamburger Regelung hat für Juristen einen besonderen Reizpunkt: Gebühren sind grundsätzlich nur Entgelte, die für die Nutzung einer Einrichtung erhoben werden können. So wie „gute“ Autofahrer ohne Strafpunkte in Flensburg nicht von den Gebühren für Straßenbenutzung (KFZ-Steuer) befreit werden können, so können Studierende wegen ihrer guten Leistung nicht befreit werden von allgemeinen Studiengebühren, argumentiert der Jurist Haisch.

Gebühren müssen auch für den angegebenen Zweck ausgegeben werden. In Niedersachsen wusste man das: Die Hochschulen müssen die „Studienbeiträge“ genannten Gebühren wie „Drittmittel für die Lehre“ verwenden.

In Bremen sollen Studierende durch die Studiengebühr motiviert werden, sich in der Hansestadt polizeilich zu melden. Jeder zusätzlich gemeldete Einwohner bringt über den Länderfinanzausgleich rund 3.000 Euro pro Jahr in die Staatskasse – für die so gewonnenen neuen Landeskinder wollte Bremen dann auf die 1.000 Euro Studiengebühren verzichten.

Um den Druck auf auswärtige Studierende zu erhöhen, ist in Bremen auch kein Ausfall-Fonds für den Fall vorgesehen, dass Studierende ihre Kredite nicht zurückzahlen können. In Hamburg und in Niedersachsen müssen die Hochschulen den Ausfall-Fonds aus ihrem allgemeinen Etat finanzieren.

Als Obergrenze für die Rückzahlungsverpflichtungen eines Studierenden sind in Hamburg maximal 7.000 Euro aus Studiengebühren plus maximal 10.000 Euro aus dem Bafög-Kredit festgelegt worden, in Niedersachsen liegt die Verschuldungs-Obergrenze bei 15.000 Euro. Zum Vergleich: In Köln sind es 10.000 Euro. Auch solche Ungleichheiten könnte ein Verfassungsgericht monieren.