Auf grünen Pfaden in die Zukunft

ZUSAMMENLEBEN In den Berliner Prinzessinnengärten und der Initiative Möckernkiez wird das Leben als Gemeinschaft begriffen

„Nicht ziehen, die Pflanze hat eine Wurzel gebildet!“ Robert Shaw, 34, Gründer der Berliner Prinzessinnengärten, zeigt einer Gruppe von vier Freiwilligen, wie man Oregano-Pflänzchen eintopft. Über die Aussaatschälchen gebeugt, erklärt er die nächsten Arbeitsschritte. Es ist Samstag. Wie immer kommen von 11 bis 14 Uhr Mitglieder und Neugierige, um zu lernen, wie man gärtnert, oder ihr Wissen weiterzugeben. Viele Kinder seien erstaunt, dass Gemüse „im Dreck“ wachse, so Shaw.

Sarah Hübner, 30, nimmt ihren zweijährigen Sohn Johan aus dem Fahrradsitz und kommt mit ihm an der Hand ins Büro der Initiative Möckernkiez, eines alternativen Wohnprojekts in Berlin. Sie lächelt, Mutter und Sohn nehmen Platz. Warum sie in das Projekt eingestiegen ist? Des naturnahen Lebens wegen. „Und das mitten im Kiez. Mein Sohn Johan soll in einer Gemeinschaft aufwachsen.“

Shaw und Hübner haben den Wunsch nach einem Leben in Gemeinschaft mit anderen. Die beiden Projekte stehen für eine Bewegung, die Zeit für- und miteinander als Tauschwert begreift.

Die Idee, die Prinzessinnengärten zu gründen, hatte Robert Shaw, nachdem er auf einer Kuba-Reise die dort verbreiteten Gemeinschaftsgärten erlebt hatte. Bei der 2009 am Berliner Moritzplatz gegründeten Non-Profit-Organisation fließen Gewinne aus Gemüseverkauf und dem eigenen Café zurück in das Projekt. Abgesehen davon finanzieren sich die Gärten vor allem über Spenden. Saisonales Gemüse, regionaler Anbau, Biodiversivität: Es geht um die Schaffung eines Bewusstseins.

Für Robert Shaw ist sein Projekt sowohl politisch als auch sozial. Die Prinzessinnengärten bieten eine soziale Plattform, die verschiedene Kulturen und Generationen zusammenbringt. Und durch Arbeit im Garten wird Nachhaltigkeit wortwörtlich „be-greifbar“: Ja, die Karotten wachsen im Dreck und nicht in einer Fabrik in Rumänien!

Richtig konkret werden soll das Bewusstsein von Gemeinschaft demnächst auch für Johan und seine Eltern. Sie werden in eine der 400 Wohneinheiten der Initiative Möckernkiez ziehen, ein großes Passivhausprojekt in Berlin. Baubeginn: Frühjahr 2012. Passivhäuser müssen aufgrund ihrer guten Dämmung kaum beheizt werden.

Der Möckernkiez soll Menschen mit und ohne Behinderung aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten ein Zuhause bieten. Ronja Funke, 27, stellvertretende Geschäftsleiterin, erklärt, dass die Investitionskosten immens seien, sich jedoch durch den geringen Energieverbrauch rasch amortisieren würden.

Halten die grünen Pfadfinder Shaw und Hübner den derzeitigen Ökotrend für tatsächlich nachhaltig? Shaw erkennt zwei Ebenen: eine oberflächliche und eine fundamentale, die ein verändertes ökologisches Bewusstsein mit sich bringt. Und Sarah Hübner? Sie freut sich über eine zunehmende Diskussion.

RENATE SCHLIPF, VERENA WILKENING