Soldaten zweifeln am Afghanistan-Einsatz

BUNDESWEHR Der Chef des Bundeswehrverbands Ulrich Kirsch wirft der Bundesregierung mangelnde Unterstützung vor. Auch einen Rückzug der deutschen Truppen aus Afghanistan bringt er ins Gespräch

BERLIN dpa/afp | Der Deutsche Bundeswehrverband hat die Bundesregierung davor gewarnt, die Soldaten im Afghanistan-Einsatz im Stich zu lassen. „Wo sind die Besuche von Bundeskanzlerin Merkel in Afghanistan? Wann spricht sie mit [dem afghanischen Präsidenten] Karsai, wann mit den Vereinten Nationen?“, fragte Verbandschef Ulrich Kirsch in der Bild am Sonntag. „Und was macht eigentlich Außenminister Westerwelle – immerhin der federführende Minister?“ Eins sei klar, fügte der Oberst hinzu: „Chefsache ist der Afghanistan-Krieg wirklich nicht.“

Kirsch forderte die Regierung zu einem klaren Bekenntnis zu den Soldaten auf. „Alle Soldatinnen und Soldaten wollen wissen: Welchen Stellenwert hat der Einsatz am Hindukusch für die politisch Verantwortlichen?“ Die Anschläge der vergangenen Tage zeigten, wie brutal die Realität des Soldatenberufs sei. Gerade deshalb müsse sich die Politik umso mehr zu ihren Soldaten bekennen.

Allein in den vergangenen zwei Wochen hat es in Afghanistan drei Anschläge auf deutsche Bundeswehrsoldaten gegeben. Am vergangenen Donnerstag kam ein 23-jähriger Soldat in der Provinz Baghlan ums Leben gekommen, nachdem er und seine Kameraden mit ihrem Schützenpanzer nahe Kundus über eine Sprengfalle gefahren waren. Am Samstag zuvor waren bei einem Anschlag in Talokan, der Hauptstadt der Provinz Tachar im Nordosten Afghanistans, zwei Bundeswehrsoldaten getötet und sechs weitere verletzt worden. Unter den Verletzten befand sich auch der Kommandeur des Regionalkommandos Nord der Nato-Truppe Isaf, Markus Kneip. Und drei Tage hatte es einen Sprengstoffanschlag auf eine deutsche Patrouille nahe Kundus gegeben.

Das Magazin Der Spiegel berichtet, dass bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen in Talokan Angehörige der Bundeswehr auch drei Angreifer erschossen haben. Zunächst hatte die Bundeswehr davon gesprochen, dass durch Schüsse sieben bis zehn Angreifer verletzt, aber nach damaligem Erkenntnisstand niemand getötet worden seien. Das Magazin beruft sich nun auf einen Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen.

Bundeswehrverbandschef Kirsch bringt nun einen Rückzug aus Afghanistan für den Fall ins Gespräch, dass die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht werden: „Die Bundesregierung muss allen – den Soldaten wie der Gesellschaft – vermitteln, welche Ziele wir in Afghanistan verfolgen. Sie muss den Fortschritt überprüfen – und Konsequenzen ziehen, wenn sich die Ziele als unerreichbar erweisen.“ Wenn die Regierung das nicht tue, bleibe sie nicht nur Antworten schuldig, schrieb Kirsch. Dann ließe die Regierung „die Truppe im Stich“.