Farb-Feuerwerk vor düsterem Hintergrund

KUNST Wenn über Flüchtlinge diskutiert wird, geht es meist um die Unterbringung. Die Kunsthalle wählt eine andere Perspektive: Hier geht es um das Können der Menschen, die nach Deutschland kommen

„Wir wollen zeigen, dass die Menschen, die zu uns kommen, ein Potenzial mitbringen“

KURS-ORGANISATORIN LUCYNA BOGACKI

Ein leuchtendes Gelb, das über Orange langsam in ein Rot verläuft. Dazu Blau und Türkis: Auf seiner Leinwand arbeitet Raed Jazbeh an einem abstrakten Farb-Feuerwerk, das sich kontrastreich vom düsteren Hintergrund abhebt. Die schwarzen Flächen wecken Erinnerungen an den Bürgerkrieg, der den syrischen Künstler aus seiner Heimat trieb. Zusammen mit Flüchtlingen aus dem Iran und Afghanistan beteiligt er sich gerade an einem Projekt der Kunsthalle in Bremen – auch, um seine Erlebnisse zu verarbeiten.

Wenige Meter entfernt steht auf einer Staffelei das nächste Bild, das von Flucht und Vertreibung zeugt. Sadeg Hema malt daran, ein junger Palästinenser, der wie Jazbeh aus Syrien nach Bremen kam. Unter den Eindrücken seiner Flucht hat er eine Porträtreihe geschaffen, die drei Köpfe zeigt: zunächst mit geschlossenem Mund, dann zum Ruf geöffnet und schließlich weit aufgerissen zum Schrei.

Was in dem Atelierkurs entsteht, will die Kunsthalle der Öffentlichkeit vom 20. Oktober an in einer Sonderausstellung präsentieren. „Wir wollen auch zeigen, dass die Menschen, die zu uns kommen, ein Potenzial mitbringen“, sagt Mitorganisatorin Lucyna Bogacki. „Sie sind eine große Bereicherung“, betont die Koordinatorin des zivilgesellschaftlichen Engagements für Flüchtlinge bei der Arbeiterwohlfahrt in Bremen, die sich an dem Projekt beteiligt.

Bevor die Künstler im Alter zwischen 25 und 40 Jahren zu Pinsel und Farbe greifen, durchstreifen sie die Kunsthalle. „Mich hat van Goghs Mohnfeld besonders beeindruckt“, schwärmt Jazbeh. 1911 erwarb die Kunsthalle das Werk und löste damit einen Proteststurm deutscher Künstler aus, die sich vehement gegen moderne französische Kunst in deutschen Museen wandten.

Kunsthallendirektor Gustav Pauli und Künstler wie Max Liebermann und Wassily Kandinsky verteidigten den Ankauf. Mag sein, dass es neben der üppigen Farbe auch dieser Einsatz für das Fremde ist, der Jazbeh an dem Bild so fasziniert. Er selbst flüchtete vor gut einem Jahr mit einem Teil seiner Familie nach Bremen. In Damaskus spielte er mit seinem Bruder im philharmonischen Orchester. In Bremen gründete er das Streicher-Ensemble „Camellia“, das nach der Tochter seines Bruders benannt ist.

Hier im Malatelier fühlt er sich aufgehoben. „Das ist eine Atmosphäre wie zu Hause“, meint der Künstler, der sich zusammen mit den anderen Kursteilnehmern mehr und längere Angebote dieser Art wünscht. Doch dafür fehle das Geld, sagen die Organisatoren von Kunsthalle und Arbeiterwohlfahrt.

Dieter Sell (epd)