Die Illusion der Filmgucker

Die Flexibilität führt nicht nur im Film Regie. Das Kölner Festival „Production Values“ richtet den Blick auf die Menschen hinter der Kamera und ihre prekären Arbeitsbedingungen

von CHRISTIAN WERTHSCHULTE

Es ist eine Crux mit der Kreativität. Das Versprechen auf Selbstverwirklichung im Hinterkopf, bestimmen für den Großteil der KreativarbeiterInnen weiterhin Existenzangst und Einkommensmangel den Alltag – und dies mit nur wenig Aussicht auf Besserung. Schon 2004 taten sich KulturproduzentInnen im Filmprojekt „Kamera läuft“ schwer damit, eine Aussage über die persönliche Vorstellung eines „guten Lebens“ zu machen, geschweige denn, zu beantworten, mit welchen politischen Mitteln man es durchsetzen könne.

Dabei haben die Kreativen aber noch ein anderes Problem. Sie sind nicht mehr unter sich. „Kann die Filmbranche als eine Art ‚Avantgarde‘ prekärer Arbeitsverhältnisse gelten?“, ist die Frage hinter der Kölner Reihe „Production Values-Filme über das Filmemachen“.

Das Publikum darauf hinzuweisen, dass es sich im Kinosaal befindet, ist jedoch, anders als in Frederico Fellinis „8 1/2“ zum Beispiel, nicht das Anliegen der hier versammelten Filme. Schließlich gehört ein gehöriges Maß Selbstreflexion schon lange zum guten Ton unter anspruchsvollen FilmproduzentInnen und -zuschauerInnen. Der gesellschaftliche Erkenntnisgewinn einer Geschmacksnabelschau ist jedoch eher gering und so steht bei „Production Values“ eher das Filmset als Arbeitsplatz im Fluchtpunkt der kritischen Bildkomposition.

Auch in Robert Altmans „The Player“ (1992) ist der Kunstfilm die Negativfolie, vor der sich der Filmproduzent Griffin Mill (Tim Robbins) darum bemüht, einen Mord zu vertuschen. Altmans starbesetzte Satire ist damit beispielhaft für eine Sichtweise auf den Arbeitsplatz Hollywood als Geflecht von geschäftlichen und persönlichen Machtbeziehungen und parodiert dabei die große Erzählung von Aufstieg und Fall eines Filmmagnaten.

Ungebrochen wird diese in Vincente Minellis „Stadt der Illusionen“ (1952) aufgeführt, der retrospektiv die Mißerfolgsgeschichte des Produzenten Jonathan Shields darstellt und auf zeitgenössische Stars wie Kirk Douglas und Lana Turner nicht verzichtete. Erstaunlich ist jedoch, dass sich das System Hollywood aus seiner Mitte immer wieder selbst kritisch beleuchtet. Egal ob in Billy Wilders „Sunset Boulevard“ (1950) oder in dem späten Stummfilm „Show People“ (1928) von King Vidor – Medienkritik und gleichzeitige Anerkennung von Seiten der Filmrezesenten und Studiobosse schließen einander nicht aus.

Eine Ausnahme in diesem Reigen bildet der italienische Regisseur Nanni Moretti, der gleich mit zwei Filmen im Programm vertreten ist. „Il Giorno della prima di Close Up“ (1996) ist ein siebenminütiger Kurzfilm über den ewigen Topos „Off-Kino versus Cineplex“, während „Aprile“ (1998) die Verdichtung von Privatem und Politischem beschreibt. Moretti dokumentiert hier seinen Versuch, den Wahlkampf Berlusconis im Jahre 1994 mit einer kritischen Dokumentation zu begleiten und mit der Geburt seines Sohnes und den daraus resultierenden privaten Verwicklungen in Einklang zu bringen.

Mit dieser selbstreflexiven Sicht auf den Regisseur als Kreativitätsarbeiter demontiert Moretti zugleich den Mythos des Filmemachers als Verkünder einer aufklärerischen Botschaft von der Leinwand in den Polstersessel. In welcher Rolle sich „Production Values“ sieht, wird abzuwarten bleiben – genauso wie die politischen Konsequenzen seiner Erkenntnisse.

„Production Values-Filme über das Filmemachen“, 12. bis 23. Mai 2007, Filmclub 813, Köln. Infos: 0221-3106813