MARCUS WEINBERG, CDU-PARTEIVORSITZENDER
: Der alte Neue

■ 44, Bundestagsabgeordneter, rückt in der Hamburger CDU vom Stellvertreter zum Parteivorsitzenden auf.  Foto: dpa

Es ist gar nicht so überraschend, dass Marcus Weinberg der nächste Parteivorsitzende der Hamburger CDU werden soll. Erstaunlicher ist, dass jemand wie er überhaupt Mitglied der Christenunion ist. Aber vermutlich ist das ein Klischee im Kopf des Betrachters, vielleicht ist zumindest die Union an der Elbe inzwischen doch so etwas wie eine liberale Großstadt-Partei.

Denn Marcus Weinberg ist ein Liberaler. Am Sonntag setzte er sich, einen Tag nach seinem 44. Geburtstag, bei einer Mitgliederbefragung gegen sieben KonkurrentInnen mit guten 36 Prozent und einem klaren Neun-Prozentpunkte-Vorsprung auf die zweitbeste Bewerberin durch. Am Mittwoch kommender Woche wird ein Parteitag ihn formell zum Vorsitzenden wählen.

Damit ist schon mal ein Punkt im Erneuerungsprozess geglückt: Die auch von Weinberg ausdrücklich befürwortete Basisbefragung setzt Maßstäbe innerparteilicher Demokratie, hinter die weder die CDU noch gar ihr neuer Chef zurück kann.

Weinberg, der Lehrer, zählte zu den vehementesten Befürwortern der Primarschulreform der schwarz-grünen Koalition. Die scheiterte bekanntlich, Weinberg aber reüssiert dennoch. Er lebt unverheiratet mit Freundin und Sohn zusammen, und auch das gilt nicht mehr als Hindernis in einer Partei, deren Bundesfamilienministerin zu den Zeiten vor ihrer eigenen Geburt zurück will. Er fährt kein dickes Auto, sondern eine Vespa, er steht mit Dauerkarte beim FC St. Pauli in der Gegengeraden, und manchmal schlurft er in derart getragenen Klamotten durch seinen Stadtteil am Bahnhof Altona, dass man ihm einen Euro in die Hand drücken möchte.

Und dennoch ist Weinberg auch ein gewiefter Taktiker, der seine Chancen sieht und nutzt. Nach dem CDU-Desaster bei der Bürgerschaftswahl im Februar war die Zeit für den eigenen Durchstart und den Neustart der Partei. Weinberg wagte und gewann. Als langjähriger Parteivize, Ex-Bürgerschafts- und aktueller Bundestagsabgeordneter ist Weinberg eigentlich ein altgedienter Parteisoldat, der erfolgreich das Image des Neuen pflegt. In der ersten Reihe, in der er künftig steht, weht der Wind indes rauer. SVEN-MICHAEL VEIT