ÖKOBÄCKEREIEN: Typical Käsekuchen
Ich stelle mich vor dem Ökobäcker in die Schlange, denn ich habe einen Auftrag. Und dieser Auftrag lautet: zwei Croissants und eine Milch kaufen. Das fällt mir schwer, denn Fatzer sitzt auf meinem Arm und wiegt gute 13 Kilo. Vor mir steht ein Mann, der auch ein Kind auf dem Arm hat. Und davor steht noch ein Mann mit Kind. Und davor noch einer, und noch einer. Daran erkenne ich, dass Sonntag ist. Und daran, dass alle mit Kaffee in Pappbechern wieder herauskommen und mit sehr großen braunen Tüten, als würde zu Hause eine zehnköpfige rumänische Gastfamilie warten. Die Kunden tragen Jack Wolfskin, Rucksack, Fahrradhelm und das rechte Hosenbein ist hochgekrempelt.
Obwohl ich mir nicht viel merken musste, habe ich die Milch vergessen. Also schnell zum anderen Bäcker hier im Viertel. Vor mir steht ein Mann ohne Kind. Er hat eine ausgebeulte braune Stoffhose an und eine Jacke, die an zwei Nahtstellen geplatzt ist. Er kauft ein Brötchen. An einem Tisch sitzt ein unrasierter Mann und schlürft schwarzen Kaffee aus einer richtigen Tasse.
Später befinde ich mich schon wieder vor der Ökobäckerei, weil Fatzer dort eine kleine Wippe entdeckt hat. Eine Meute von dreißig Backfischen kreist uns ein. Ein Mann sagt zu den Backfischen: „This is an organic bakery with natural products and she is very typical for the quarter here.“ Dann verschwindet er in der Bäckerei und kommt mit einem Tablett Käsekuchen wieder heraus. „This is a cake with cheese“, sagt er. Die Backfische stürzen sich auf den Käsekuchen. Einige legen ihn befremdet wieder zurück. „And over there you see a very typical canadian pizzeria“, sagt der Mann noch, bevor sich die Backfischsightseeinggruppe wieder in Bewegung setzt und ein paar Käsekrümel auf dem Pflaster zurücklässt, die Fatzer neugierig zwischen seinen Fingern zerreibt.
KLAUS BITTERMANN
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