Architektonische Ahnenreihe

Die Neuauflage des Hamburger Architekturführers bietet – abgesehen von ein paar Hymnen zu viel und ein paar Zahlen zu wenig – ein eben noch handliches, bebildertes Kompendium zu Bauten seit dem Mittelalter

Es war ein Desiderat, insbesondere für jene, die weniger an Innen- als an Außenräumen inte–ressiert sind: Die Neuauflage eines Architekturführers für Hamburg hat Dirk Meyhöfer jetzt vorgelegt. Herausgekommen ist ein 304 Seiten starkes Kompendium, das in Text und Bild die 448 wichtigsten architektonischen Sehenswürdigkeiten im Taschenbuchformat präsentiert.

In sieben Kapiteln, sauber nach Epochen sortiert, weitet der Autor den Blick für stilistische Parallelen. Von der Hauptkirche St. Katharinen bis zu Bauten in der werdenden Hafencity reicht das Spektrum der Gebäude, die in kleinen Bild-Text-Kombinationen gut verdaulich dargeboten werden. Absätze zur Architekturhistorie sowie Porträts von „Architekten der Zeit“ – etwa der einstige Oberbaudirektor Fritz Schumacher, Werner Kallmorgen, Hadi Teherani und andere – wurden zudem zwischen die Kapitel geflochten.

Und wenn auch niemand beurteilen kann, ob wirklich alles erfasst ist, bietet der Band doch etliche Fakten, die man entweder noch nie wusste oder längst vergaß. Man erinnert sich, dass das Rolf-Liebermann-Studio des NDR einst Synagoge war. Es fällt einem wieder ein, dass die Alster–ufer nicht immer öffentlicher Grund waren, es wird einem bewusst, welch ein Novum die Schiffsform des von Fritz Höger entworfenen Chile-Hauses war. „Die Sensation des Chile-Hauses“ ist das entsprechende Kapitel überschrieben – ein Titel, der heroischer wirkt, als es nötig wäre.

Auch etliche der übrigen Texte wirken leider recht betulich; allzu oft ist von „liebevoll angelegten Wegen“ oder den „guten alten Kontorhäusern“ die Rede, als fühle sich der Autor verpflichtet, Hamburg zu loben. Sogar zur City Nord findet er schöne Worte: Man spüre, dass dieser Bezirk „seine Daseinsberechtigung hat“, formuliert er kühn.

Auch hätte man eins der dem Nationalsozialismus gewidmeten Kapitel vielleicht nicht mit „Blut und Boden“ überschreiben müssen. Andererseits ist der informative Wert des Kapitels unbestreitbar: Wer weiß schon, dass die Norweger-Siedlungen in Wohldorf und Ohlstedt, germanisch-volkstümelnd, im Auftrag der Nazis errichtet wurden und später ausgebombten Parteifunktionären als Fluchtorte dienten? Recht beflissen wirken allerdings des Autors Beteuerungen, die Nazis hätten baulich eher Erbärmliches hinterlassen.

Doch wenn man davon ab sieht, dass den Texten ein paar Zahlen mehr und ein paar weniger Hymnen gut getan hätten, eignet sich der mit Architekten- und Gebäude-Index versehene Band als Informationsquelle sehr gut.

Als Fauxpas muss man allerdings die Tatsache bezeichnen, dass die 2008 zu eröffnende Elbphilharmonie ebenfalls in Wort und Bild-Animation präsentiert wird und sogar den Weg aufs Buchcover fand. Direkt neben einem Modell vom Hamburg des elften Jahrhunderts. Ein wenig gelungener Versuch, hier eine architektonische Ahnenreihe zu erstellen, hat die quasi entmaterialisierte Glas-Architektur doch wenig gemeinsam mit Konsistenz und Lebensdauer mittelalterlicher Wehrbauten.

Wer sich überdies auf seinen Hamburger Architektur-Spaziergang nicht einmal mit diesem Handbuch belasten mag, kann zum neu aufgelegten Architekturplan Hamburg greifen – einer federgewichtigen Kombination aus Index und akribisch nummeriertem Stadtplan. Er verzeichnet 1840 Gebäude. PETRA SCHELLEN

Dirk Meyhöfer: Hamburg – Der Architekturführer. Verlagshaus Braun, Berlin, 2007. 304 Seiten, 24,90 Euro. Torsten Stern, Marnie Schaefer, Thomas M. Krüger: ArchitekturPlan Hamburg. Hamburg 2007