Ohne Untertitel

Der Wochenendkrimi: Für die ARD war er zu österreichisch. Zum Glück zeigt nun 3sat den trinkseligen Underdog „Trautmann“ (So., 23.35 Uhr)

VON CHRISTIAN BUSS

Wenn der Politiker sich nicht mehr an der eigenen Potenz berauschen kann, wird es bedenklich. „Scheißpolitik, Scheißweiber“, raunzt er in den Toilettenspiegel. Die beiden Huren können anstellen, was sie wollen, Ferdinand Grünsteidl (Erwin Steinhauer) kommt heute nicht in Fahrt. Ein Bussl noch gibt es für die eine, ein Bündel grüner Geldscheine schiebt er der anderen müde zwischen die Brüste. Am nächsten Tag sieht die Lage schon anders aus, da wird Grünsteidl Hoffnung auf den Posten des Generalsekretärs gemacht. Allerdings muss er noch mal die Sache mit seiner Frau klären, Gerüchte über eine Trennung machen die Runde. Die Gattin hat der Parteimann schnell wieder mit einer teuer aussehenden, in Wirklichkeit günstig erworbenen Uhr auf seiner Seite. Blöde nur, dass auf einmal Videos von ihm zirkulieren, die ihm beim Verkehr mit jungen Dingern zeigen. Aufgetaucht sind sie in der Wohnung eines Promi-Arztes, der in seiner Wohnung enthemmte Feste zu feiern pflegte. Jetzt liegt er erstochen auf dem schönen Holzparkett.

Es ist ein überschaubares Wien, in dem der vornamenlose Trautmann (Wolfgang Böck) seit 2000 für den ORF ermittelt. Jeder ist hier mit jedem verbandelt, vom Junkie zur Politgröße bedarf es nicht mehr als zwei oder drei jeweils in Beziehung stehender Menschen. Der Inspektor selbst kennt sie sowieso alle persönlich – die hohen Tiere wie Grünsteidl, dem er in der Vergangenheit schon mehrmals in die Parade gefahren ist, wie die Kleinkriminellen und Straßenhuren, von denen er wichtige Informationen bekommt. Seine Kontaktfreudigkeit macht ihn verdächtig, in der am Sonntag erstmals in Deutschland laufenden Folge „Lebenslänglich“ startet Politaufsteiger Grünsteidl gar eine Pressekampagne gegen ihn.

Trautmann ist eben ein klassischer Underdog, wie man ihn in der ARD oder im ZDF immer seltener zu sehen bekommt. Mit einem Haufen gesunder Ressentiments gegen die Obrigkeit und einer eher ungesunden Gier nach Alkohol ermittelt er in einer Welt, in der man sich immer noch gerne mit lächerlichen Titeln wie Nationalrat schmückt. So arbeitet er sich in der Vertikalen durch Wien, von Honoratiorenpalästen runter in Weinstuben, in deren Tapeten sich der Rauch von 50 Jahren Billigzigarillos gefangen zu haben scheint.

Leiwand* ist das alles nicht, leiwand fanden das auch die Oberen der ARD nicht, denen 2002 angetragen wurde, Trautmann als zweiten österreichischen „Tatort“-Kommissar neben Harald Krassnitzer zu etablieren. Doch der berüchtigte Wiener Schmäh, der hier ungehemmt und zum Teil tatsächlich untertitelungswürdig zelebriert wird, erschien den Sendergewaltigen unvereinbar mit den Hörgewohnheiten des ARD-Publikums – das man in verschiedenen volkstümelnden Formaten allerdings recht befremdlichen Dialekten auszusetzen bereit ist.

Vielleicht war „Trautmann“ der ARD aber auch einfach zu fortschrittsmüde und zu ranzig für die Primetime. Wer sich allerdings schon mal mit Freude durch einen Wolf-Haas-Krimi gearbeitet hat, wird auch von „Trautmann“ in den Bann gezogen. Stammregisseur Thomas Roth, der gelegentlich auch Krassnitzer- „Tatorte“ dreht, inszeniert hier mit Lust am Bizarren, am Unversöhnten, am Widerspruch.

Und wenn es mal brauchtumsartig wird, dann bleibt es doch so ziemlich das genaue Gegenteil vom großen „Fest der Volksmusik“. Gelegentlich spielt die Wirtin von Trautmanns bevorzugter Gaststätte Singles mit altem Liedgut in der Jukebox ab: So düster, so sturzhagelvoll, so schmuddelselig, wie es sich hier präsentiert, muss man Österreich einfach lieb haben.

* österreichisch für: großartig

3sat zeigt im Anschluss noch die Trautmann-Folgen „Das Spiel ist aus“ (1.05 Uhr) und „Alles beim Alten“ (2.40 Uhr)