die taz vor zwanzig jahren über den prozessbeginn gegen den ns-täter klaus barbie in lyon
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Pünktlich um 13 Uhr ist der Prozeß gegen den Ex-Gestapo-Chef von Lyon Klaus Barbie vor dem Schwurgericht Lyon eröffnet worden. Eine halbe Stunde vor Prozeßbeginn war der Polizeitransporter vorgefahren, von Scharfschützen auf den Dächern gesichert. Nur wenige ausgewählte Fotografen und Kameramänner wurden in den Gerichtssaal eingelassen, um den hinter einer Panzerglasscheibe sitzenden Angeklagten ablichten zu können.

Wer ist überhaupt der Angeklagte? „Klaus Altmann“, antwortet Barbie auf die Frage nach seinem Namen. Provokation des Ex-SS-Obersturmführers an die Adresse eines Gerichts, das er nicht anerkennt? Nicht ganz: Denn er erklärt auch, der Sohn von Nikolaus Barbie, geboren 1913 in Bad Godesberg, zu sein. Seit die bolivianische Regierung ihn unter dem Namen Klaus Altmann eingebürgert hat, gibt es keine Papiere mehr, die auf den Namen Klaus Barbie lauten.

Zwei Stunden nach Eröffnung ist schon deutlich geworden, auf welche Schwierigkeiten die Ausweitung der Anklage gegen Barbie stößt. Ein Anwalt, der die Witwe eines britischen, von der Lyoner Gestapo verhafteten und nach Mauthausen deportierten Offiziers vertritt, ist aus formaljuristischen Gründen nicht als Nebenkläger zugelassen worden. Weitere Zulassungsanträge folgen: Mag sich hinter jedem Namen auch ein grauenhaftes Schicksal verbergen, so läßt sich der Eindruck nicht wegwischen, daß es manchem auch darum geht, in allerletzter Minute noch Zutritt zu der großen Show zu erhalten. In Lyon wird kein Schauprozeß geführt, aber alle Elemente einer großen Show sind versammelt. 800 Journalisten wurden akkreditiert. Der Ex-Außenminister Roland Dumas zählt zu den Anwälten der Nebenklage. Zeugen werden erscheinen, deren Namen - von Marguerite Duras bis Gerd Bastian - eine Neugier wecken, die weder den zu verhandelnden Taten noch der Erhellung der Nazivergangenheit gilt. Lothar Baier, taz 12. 5. 1987