Ausgeglichener Haushalt in Reichweite

Steuerschätzung prognostiziert 180 Euro Mehreinnahmen bis 2011. Debatte über Verwendung der Gelder

BERLIN ap/taz ■ Geldsegen für den Staat: Bund, Länder und Gemeinden können in den nächsten vier Jahren zusätzliche Einnahmen von knapp 180 Milliarden Euro einplanen. Dies ergab die gestern veröffentlichte Steuerschätzung. Die Summe ist damit geringer als die von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) Anfang der Woche prognostizierten 200 Milliarden Euro. Von den Mehreinnahmen entfallen rund 87 Milliarden Euro auf den Bund, 72 Milliarden auf die Länder und 22 Milliarden auf die Gemeinden.

Steinbrück kündigte an, dass die Regierung „aus jetziger Sicht“ spätestens 2011 ohne neue Schulden im Bundeshaushalt auskommen will. „Das ist eine historische Trendwende: Der Einstieg in den Abbau des aufgelaufenen Schuldenbergs von über 1.500 Milliarden Euro wäre endlich möglich“, erklärte Steinbrück. Zudem gebe es auch Spielraum für Mehrausgaben, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Dafür sollen jährlich rund 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden.

Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) erklärte, die Mehreinnahmen sollten zunächst vorrangig in den Abbau der Neuverschuldung fließen. Zugleich erneuerte er aber seine Forderung, mittelfristig die Steuern zu senken. „Nach erfolgreicher Konsolidierung der Staatsfinanzen müssen die Steuerzahler an den Früchten beteiligt werden.“ Die guten Einnahmen dürften „jetzt nicht zusätzliche Begehrlichkeiten hervorrufen“, warnte er.

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck bekräftigte indes den Standpunkt seiner Partei, auch Geld für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung zu stellen. Als wichtige Bereiche nannte er Bildung, Familie, Energie und Klima sowie die Bundeswehr. Zuvor hatte bereits der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck unter anderem 290 Millionen Euro für eine Bafög-Erhöhung und 500 Millionen für die Sanierung öffentlicher Gebäude gefordert.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärte, dank der Steuermehreinnahmen könne sich Deutschland nach fünf Jahren aus dem Defizitverfahren beim Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt befreien. „Jetzt müssen wir die bessere Konjunktur nutzen, um endlich aus der Schuldenfalle herauszukommen“, verlangte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben und verwies auf die alte Volksweisheit „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“.

Die Einnahmen konsequent für eine geringere Neuverschuldung zu nutzen, forderte auch Christine Scheel, finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Oskar Lafontaine, Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion, plädierte dagegen für eine Entlastung von Arbeitnehmern und höhere Investitionen. MKR

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