Ein Held misstraut seiner Sprache

SCHAUSPIEL ln Klaus Schumachers Othello-Inszenierung wird nicht mit den Augen getobt: Der Frieden hat die Kämpfe unter die Oberfläche verlagert

Lattich, Ysop oder Thymian? Jago pflanzt vor allem Gift

Rassismus spielt gar nicht so die Rolle: Shakespeares „Othello“, wie ihn Regisseur Klaus Schumacher am Theater Bremen zeigt, ist eher ein Stück über Krieger in Friedenszeiten. Das Spektakel ist vorbei, das Schlachtgetümmel. Die Kämpfe finden unter der Oberfläche statt.

Es ist die Zeit, in der ein Widersacher eben nicht durch äußere Signalelemente erkennbar ist. Es ist die Zeit, in der es nichts anderes zu tun gäbe, als seinen Garten zu kultivieren, sodass die entscheidende Frage lautet: „if we plant nettles“, wie Erzbösewicht Jago sagt, also Brennnesseln, ein Kraut, das laut Pietro Andrea Mattioli zur Unkeuschheit verführt, oder ob wir liebestötenden Lattich säen, keuschen Ysop oder aphrodisierendes Thymian.

Jago, das ist klar, pflanzt vor allem Gift. Er pfropft es Othello ins Herz und ins Hirn: die Eifersucht, den Glauben an Verrat und den Wahn, dass seine Hautfarbe – denn Othello ist schwarz – schuld an diesem wäre. Gedrängt fasst die Inszenierung die Ereignisse des ersten Akts in einer Rückschau Othellos zusammen, die Anklage wegen Hexerei durch seinen Schwiegervater, die Liebe und den Honeymoon. Jetzt sind wir auf Zypern. Und Zypern ist ein leicht ramponiertes Gewächshaus, das Katrin Plötzky auf die schwarze Bühne des Goetheplatz-Theaters gewuchtet hat. Es ruht auf einer Drehvorrichtung, deren Steuerung, selbstredend, Jago in seinen Händen hält.

Guido Gallmann legt den Fiesling als scheinbar teilnahmslose Figur an, als eine spiegelglatte Oberfläche, die mit einer tragbaren Nebelmaschine ihre Giftpflanzen gelegentlich CO2-düngt. Dann wachsen sie schneller. Aus seiner Selbstbeherrschung durchzucken ihn nur gelegentlich zappelige Momente der Verzückung übers Gelingen seiner Intrigen.

Dagegen steht in sich ruhend wie ein Fels Theo Franzs: Wie hatte man nur vergessen können, dass der Hausautor des Kinder- und Jugendtheater MOKS auch ein sehr guter Schauspieler ist? Othello, wie Franzs ihn spielt, verfügt einerseits über die professionelle Härte eines Militärs – der sein eigenes, seine Zärtlichkeit und seine Sprache verdrängt hat, nicht mehr zulässt: „Ihr lehrtet Sprache mir“, lässt Shakespeare Caliban, den kolonialisierten Knecht, in „Der Sturm“ sagen. „Hol’ die Pest euch fürs Lehren eurer Sprache.“ Der assimilierte Othello hingegen weiß sich eine geachtete, eine mächtige Person.

Doch um diese Rolle zu spielen, scheint er die eigene Sprache verdrängt zu haben, die Sprache der Liebe, die er mit Annemaike Bakker, der Desdemona, teilt: Auf Niederländisch sind Passagen der Intimität des Paares gesetzt, des Glücks und der in Gewalt sich resignierenden Wut. Hier wird nicht mit Augen gerollt und getobt, alles bleibt verhalten, fast unterkühlt, und alles wirkt beherrscht. Ganz friedlich. Und auch der Rassismus spielt eigentlich nicht so die Rolle.  BES

Nächste Aufführungen: 18. & 24. 10., jeweils 19.30 Uhr, Großes Haus