Die Occupy-Proteste geraten in die Defensive

HONGKONG Maskierte greifen erneut Zelte der Aktivisten an. Polizei räumt einige Barrikaden

AUS PEKING FELIX LEE

Es sind gerade noch einige Hundert Demokratieaktivisten gewesen, die seit nunmehr zwei Wochen auf den Straßen vor dem Hauptquartier der Hongkonger Regierung mit Zelten, Planen und Regenschirmen ausharren. Kein Vergleich mit den Zehntausenden, die noch am Freitagabend im Rahmen der Occupy-Proteste auf den Straßen saßen.

Doch als am Vormittag Polizisten damit begannen, zumindest an einigen Stellen die Straßengitter abzubauen, welche die Demonstranten in den vergangenen zwei Wochen als Barrikaden verwendet haben, spitzte sich die Lage zu. Rasch eilten von allen Seiten Unterstützer der Demonstranten herbei, von den Aktivisten offenbar über ihre Smartphones alarmiert.

Völlig aus dem Ruder drohte die Lage zu geraten, als gegen Mittag mit Unterstützung von Passanten mehrere Dutzend maskierte Männer erschienen und mit Gewalt Zelte niedertraten. „Occupy ist illegal“, riefen sie. Nun waren die Polizisten nicht mehr die Gegner der Demokratieaktivisten, sondern deren Beschützer. Sie kesselten die Maskierten ein und warfen mehrere besonders gewaltbereite Männer zu Boden. Einer von ihnen hatte ein Messer bei sich. Erst als am frühen Nachmittag wieder Tausende Occupy-Unterstützer auf dem Platz und den umliegenden Straßen und sie damit in der Überzahl waren, beruhigte sich die Lage wieder.

Am 16. Tag der Blockaden im Hongkonger Regierungs- und Finanzviertel sehen sich die Demokratieaktivisten zunehmend in der Defensive. In der ganzen Stadt tragen zwar auch weiterhin viele Hongkonger gelbe Schleifen als Zeichen der Solidarität mit den Aktivisten. Doch bei den Gegendemonstranten handelt es sich keineswegs nur um organisierte Schläger, von denen vermutet wird, dass sie angeheuerte Mitglieder von Triaden sind. Erstmals beteiligten sich bei den Auseinandersetzungen am Montag auch Taxifahrer. „Die Demonstranten ruinieren uns nun seit zwei Wochen das Geschäft“, zitiert die Hongkonger Zeitung Mingpao einen Fahrer.

Hongkongs umstrittener Regierungschef Leung Chun-ying versucht nun, den wachsenden Unmut gegen die Aktivisten für sich zu nutzen. Er erteilte bereits am Sonntag der Forderung nach freien Wahlen eine Absage. Die Chancen, dass Chinas Regierung den Forderungen der Demonstranten nachgebe, lägen „bei null“, sagte er. Auch den geforderten Rücktritt lehnt er weiter ab.

Dabei steht Leung wegen dubioser Zahlungen jetzt zusätzlich unter Beschuss. Hongkonger Medien berichteten vergangene Woche, er habe 2012 von einem australischen Baukonzern umgerechnet 5 Millionen Euro erhalten, diese jedoch nicht deklariert. Leung ließ über einen Sprecher erklären, dies sei nicht nötig gewesen, da die Zahlung noch auf ein Geschäft aus seiner vorherigen Funktion als Immobilienmanager zurückgehe. Abgeordnete aus der Demokratiebewegung fordern Korruptionsermittlungen.