Alles nur ein Missverständnis

TÜRKEI Die Regierung in Ankara dementiert ein Abkommen mit den USA über die Nutzung von Luftwaffenstützpunkten für Angriffe auf den Islamischen Staat in Syrien

Luftunterstützung für Kobani wäre von Incirlik aus wesentlich effektiver

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Am frühen Montagmorgen sah es noch so aus, als wenn es im Kampf gegen die Milizen des Islamischen Staates (IS) einen wichtigen Schritt vorwärts gegeben hätte. Sichtlich zufrieden erklärte die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan E. Rice, im US-Fernsehen, man hätte sich mit der Türkei darauf geeinigt, dass ab sofort die USA auch türkische Militärbasen im Kampf gegen den IS nutzen könnten. Dabei ginge es vor allem um die große US-Airbase Incirlik in der Südtürkei, die wesentlich näher am Kampfgeschehen liegt als die Flugzeugträger, von denen aus die US-Flieger bislang starteten.

Tatsächlich wäre von Incirlik aus über türkisches Territorium der Weg in die umkämpfte Stadt Kobani an der syrisch-türkischen Grenze wesentlich kürzer und die Luftunterstützung für die kurdischen Kämpfer dort hätte wesentlich effektiver gestaltet werden können.

Doch nur wenige Stunden später sah alles wieder ganz anders aus. Mitarbeiter aus dem Amt des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu erklärten alles zu einem großen Missverständnis. Jetzt hieß es plötzlich, die Verhandlungen mit den USA über die wechselseitige Unterstützung im Kampf gegen den IS seien noch nicht abgeschlossen. Von Angriffen auf den IS von Incirlik aus könne keine Rede sein, das hätten türkische Verhandler so nie gesagt. Wenn überhaupt, könne man später Incirlik für humanitäre Aktionen und logistische Unterstützung nutzen, nicht aber für konkrete Kampfeinsätze.

Nach wie vor will die Türkei von den USA zunächst eine Zusage, dass sie die Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien und einer Sicherheitszone entlang der Grenze unterstützen, bevor eine Entscheidung über Incirlik getroffen werden könne.

Seit Montag tagen in Washington die Stabschefs von 20 Ländern, die sich an der Anti-IS-Koalition beteiligen, um eine gemeinsame Strategie gegen die Islamisten festzulegen. Der türkische Generalstabschef Necdet Özal nimmt an dem Treffen nicht teil.

Seit Wochen gibt es eine tiefe Kontroverse zwischen der Türkei und den USA darüber, wie ein erfolgreicher Kampf gegen den IS aussehen könnte. Während US-Präsident Obama zunächst einmal ausschließlich die Islamisten bekämpfen will, will der türkische Präsident Erdogan sich nur daran beteiligen, wenn der Kampf gegen den IS Teil einer größeren Strategie zum Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad ist. Dazu gehört für Erdogan die Einrichtung der Flugverbotszone für Nordsyrien, innerhalb derer Flugzeuge und Hubschrauber der syrischen Luftwaffe abgeschossen werden, und eine Pufferzone entlang der Grenze, wo syrische Flüchtlinge untergebracht werden können. Obama hat aber eine Flugverbotszone ausgeschlossen, weil er seine Luftwaffe nicht in Kämpfe mit der syrischen Luftwaffe verwickeln will und sich außerdem damit auch mit Russland, dem Hauptverbündeten von Assad, anlegen müsste. Den Einsatz von Bodentruppen zur Sicherung einer Pufferzone auf syrischer Seite der türkisch-syrischen Grenze schließt Obama ebenfalls aus.