Es ist Herbst, die Liberalen fallen

FDP Der kommissarische Landesvorsitzende Dieter Lohberger tritt aus der Partei aus. Der Spitzenkandidatin wirft er Kungelei und Ausgrenzung vor

Der letzte langjährige Landesvorsitzende der Hamburger Freien Demokraten war in den Jahren 1987 bis 1993 der Bauunternehmer Robert Vogel. Es folgten in 21 Jahren stolze 13 ordentliche Vorsitzende sowie – aktuell – zwei kommissarische:

■ 1993–1995: Rainer Funke■ 1995–1996: Hans-Jürgen Widmann■ 1996–1997: Arnd Brummer■ 1997: Frank-Michael Wiegand■ 1997–1999: Rainer Funke■ 1999–2001: Kurt Hansen■ 2001: Rudolf Lange■ 2001–2003: Reinhard Soltau■ 2004–2006: Leif Schrader■ 2006–2007: Wieland Schinnenburg■ 2007–2008: Hinnerk Fock■ 2009–2012: Rolf Salo■ 2012–2014: Sylvia Canel■ 2014: Dieter Lohberger (komm.)■ 2014: Benjamin Schwanke (komm.)■ 2014: N.N.

In der Hamburger FDP wechseln die Landesvorsitzenden häufiger als die Trainer beim HSV. Allerdings scheiden auch mal freiwillig aus – so wie aktuell der kommissarische Parteichef Dieter Lohberger. In der Nacht zu Dienstag, um 2.17 Uhr, erklärte er in einer Mail an den Landesvorstand, die FDP zu verlassen. „Kungelei, die Unfähigkeit zu inhaltlichen Reformen und der mangelnde Wille zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit“, so Lohberger, hätten ihn zu diesem Schritt veranlasst.

Es sei „schade um jeden, der nicht mehr zur liberalen Sache steht“, kommentiert Katja Suding, Fraktionschefin in der Bürgerschaft und Spitzenkandidatin zur Bürgerschaftswahl im kommenden Februar, den Abgang knapp. Nächster kommissarischer Vorsitzender ist der letzte verbliebene Stellvertreter Benjamin Schwanke. Aber wohl nicht für lange: Auf dem Landesparteitag am 9. November kandidiert Suding für den Parteivorsitz.

Parteivize Lohberger hatte vor einem Monat den Vorsitz übernommen, nachdem die eigentliche Vorsitzende Sylvia Canel und davor der dritte Vize-Chef Najib Karim ausgetreten waren. Sie haben inzwischen die Partei „Neue Liberale“ gegründet, mit der sie ebenfalls bei der Bürgerschaftswahl im Februar antreten wollen. Das Verhältnis zwischen Canel und Suding galt schon lange als zerrüttet. Zuletzt hatte Suding auf dem Parteitag Anfang Juli ihre Spitzenkandidatur davon abhängig gemacht, dass Canel nicht auf der Landesliste für die Bürgerschaft antritt.

Eben das wirft Lohberger ihr nun vor: Suding habe durch „ausgrenzende Absprachen Leistungsträger ausgeschlossen“ und mit einer „Liste des Vertrauens“ eigene KandidatInnen durchgedrückt, schreibt er in seiner Austrittserklärung. Diese Vorschlagsliste war jedoch zuvor im Landesvorstand und mit den Bezirksvorsitzenden diskutiert worden.

Auch hatte Suding auf dem Parteitag in ihrer Rede offen erklärt, dass sie für die drei Themenschwerpunkte Verkehr, Bildung und Haushalt gerne die bisherigen Abgeordneten Wieland Schinnenburg, Anna von Treuenfels und den bisherigen Fraktionsgeschäftsführer Michael Kruse „in meinem Team hätte“. Alle drei wurde mit über 80 Prozent Zustimmung auf die Listenplätzen 2 bis 4 gewählt, Suding selbst erhielt 75 Prozent. Warum Lohberger nun zurücktritt, drei Monate später, erläutert er nicht.

Suding, die in den Herbstferien weilt, wurde von Lohbergers Abgang kalt erwischt. Noch am Samstag hatte sie in Hamburg mit ihm gesprochen – von seinem geplanten Rückzug soll Lohberger da nichts gesagt haben. Weitere Kommentare gab Suding gestern nicht ab.

Dennoch ist davon auszugehen, dass sie ihre Kandidatur als Parteichefin aufrechterhält. Als Spitzenkandidatin ist Suding ohnehin die Hauptverantwortliche dafür, ob die FDP wieder in die Bürgerschaft einzieht – oder scheitert.  SMV