Der junge Führer geht lächelnd am Stock

NORDKOREA Der Machthaber Kim Jong Un taucht wieder auf, es bleiben jedoch viele Fragen offen

BERLIN taz | Nach 40 Tagen, in denen zunehmend über das Schicksal von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un gerätselt worden war, ist dieser am Dienstag unspektakulär wieder aufgetaucht. Zumindest auf Fotos im nordkoreanischen Zentralorgan Rodong Sinmun (Arbeiterzeitung). Dieses verbreitete neben dem hier abgebildeten Titelfoto auch eine Fotoserie, die einen lächelnden dicklichen Kim beim Besuch einer Neubausiedlung für Wissenschaftler in der Hauptstadt Pjöngjang zeigen soll.

Auf den meisten Bildern ist Kim mit einem Gehstock zu sehen und gibt im klassischen Stil der nordkoreanischen Propaganda Anweisungen an eifrig mitschreibende Untergebene in Uniform. Auch das Fernsehen zeigte die Bilder, jedoch keinen Film, aus dem sich ablesen ließe, wie mobil Kim wirklich ist.

Wann genau die Bilder entstanden, erwähnten die Staatsmedien nicht. Auch erklärten sie Kims fast sechswöchige öffentliche Abstinenz nicht. Das wäre ja auch schon ein Eingeständnis, dass Nordkoreas Führung ausländische Medienberichte beachten würde. Nordkorea ist das abgeschottetste Land der Welt.

Zwischenzeitlich war in südkoreanischen und westlichen Medien schon über eine schwere Erkrankung oder gar eine Entmachtung Kims spekuliert worden. Ein Bild zeigte ihn jetzt mit Hwang Pyong-so. Der gilt als die Nummer zwei des nordkoreanischen Regimes und war kürzlich zu Gesprächen in Südkorea. Zuletzt war Kim Jong Un am 3. September in der Öffentlichkeit gesehen worden. Da besuchte der Enkel des Staatsgründers Kim Il Sung mit seiner Frau ein Konzert.

Dass Kim letzte Woche auch nicht an den Feierlichkeiten zum 69. Geburtstag der Koreanischen Arbeiterpartei teilnahm, hatte die Spekulationen nur verstärkt. Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass nordkoreanische Führer über mehrere Wochen aus der Öffentlichkeit verschwinden. Kim Jon Un zeigte sich aber bisher fast täglich.

Im August hatten Filmaufnahmen den auf 31 Jahre geschätzten und in einem Schweizer Internat geschulten Jungdiktator erstmals humpelnd gezeigt. Für den Spross einen Führerdynastie, deren Mitglieder von ihrer Propaganda normalerweise als unfehlbar und omnipotent dargestellt werden, ist das eigentlich ein Frevel. Doch auch dies macht propagandistisch Sinn: Kim opfere sich für sein Volk auf und gönne sich keine Ruhe. SVEN HANSEN