Erfolg für Anti-Nazi-Pyramide

JUSTIZ Verfahren eingestellt: Die vier Aktivisten, die 2013 mit einer Betonpyramide einen Naziaufmarsch blockierten, müssen nur zahlen – ans Antifaschistische Pressearchiv

„Dieses Ergebnis zeigt, wie groß die gesellschaftliche Legitimität solcher Aktionen ist“

HENNING OBENS, EINER DER VIER BLOCKIERER

VON MALENE GÜRGEN

Aus antifaschistischer Perspektive ist es ein doppelter Erfolg: Am Mittwoch wurde das Verfahren gegen die vier Männer, die am 1. Mai 2013 in Berlin-Schöneweide einen Naziaufmarsch blockierten, indem sie sich an eine Betonpyramide ketteten, gegen Geldauflagen eingestellt. Das Geld, 1.400 Euro, geht zudem laut Gerichtsbeschluss an das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz), eine wichtige Anlaufstelle im Kampf gegen Neonazis.

„Dieses Ergebnis und gerade auch die Auswahl des apabiz zeigt, wie groß die gesellschaftliche Legitimität solcher Aktionen ist“, sagt einer der vier Blockierer, Aktivist Henning Obens von der Interventionistischen Linken. Auch Verteidigerin Lea Voigt ist mit dem Ausgang zufrieden: „Die Einstellung ist der Sache angemessen“, sagt Voigt, „das hätte man allerdings auch schon früher erkennen und so viel Zeit sparen können.“ Noch bis kurz vor dem Termin hatte es so ausgesehen, als würde das Verfahren regulär eröffnet werden.

Die vier Aktivisten waren am Tag des Aufmarschs morgens mit einem präparierten Transporter auf die Route der Nazis gelangt, von dem aus sie eine Betonpyramide auf die Fahrbahn rutschen ließen und sich anschließend mit je einem Arm in der Pyramide festketteten. Fünf Stunden lang wurde die Route durch diese Aktion blockiert. Zum Pech der Aktivisten waren allerdings niedersächsische Polizei-Experten vor Ort, die mit solchen Blockaden von den Anti-Castor-Protesten vertraut sind und die Pyramide schließlich mitsamt den daran geketteten Aktivisten per Kran abtransportieren ließen. Schlussendlich konnten die Neonazis wie geplant laufen, durch die massiven Polizeiabsperrungen an der Strecke wurde der Aufmarsch auch durch die mehreren tausend GegendemonstrantInnen nicht verhindert. Die Aktivisten wurden bis in die Nacht in Gewahrsam genommen.

Angeklagt waren die vier Männer vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Nötigung. Laut Verteidigung hatten die Ermittlungen ursprünglich wegen größerer Vorwürfe begonnen, die dann aber immer weiter zurückgeschraubt wurden. „Ohne jedes Augenmaß wurden vonseiten des Staatsschutzes Vorwürfe konstruiert“, sagt Voigt. „Diese Abschreckungsstrategie hat aber absolut nicht funktioniert, mit der heutigen Entscheidung ist man glücklicherweise zurück auf den Boden der Tatsachen gelangt.“ Auch Obens ist sich sicher, dass sich durch diesen Ausgang „niemand von Aktionen abschrecken lassen wird“. Er und seine Mitstreiter hätten zudem viel Solidarität und Unterstützung erfahren.

In ihren Prozesserklärungen bekräftigen die vier Angeklagten ihre Motivation für die Blockade von Naziaufmärschen: „Wo auch immer es nötig ist, werde ich mich engagieren und an öffentlichen Protesten gegen Nazis teilnehmen“, sagt einer der Aktivisten, der laut eigener Aussage „schon früh lernte, vor Neonazis zu fliehen oder sich verstecken zu müssen“. Ziviler Ungehorsam sei demokratische Selbstermächtigung, sagt Obens, seit seiner Jugend sei es für ihn „politische Verpflichtung, gegen Nazis und Rassisten Widerstand zu leisten“. Kritik übten die Aktivisten an der Strategie der Polizei, die die Route der Neonazis mit einem Großaufgebot von 3.000 Beamten, mehreren Kilometern Gitter sowie Wasserwerfern abgesichert und so den Aufmarsch ermöglicht hatte.

Erste Wahl seien Aktionen wie die aus dem Wendland abgeguckte Betonpyramide aber dennoch nicht: „Eine solche Aktion von Einzelnen hat nicht das Potenzial einer Massenblockade, bei der Tausende Menschen ermächtigt werden, sich aktiv gegen Nazis einzusetzen“, sagt Obens. Wenn solche Massenblockaden durch das Vorgehen der Polizei erschwert werden, seien „kreative Aktionen wie die Pyramide eine gute Möglichkeit, dieses Vorgehen zu durchkreuzen“.