LESERINNENBRIEFE
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Schmierenkomödie und Tragödie

■ betr.: „Kurden bei der CSU“, taz vom 10. 10. 14

Es ist eine Schmierenkomödie ersten Ranges und eine Tragödie zugleich, die uns in Kobani von den großen Weltenlenkern in Washington, Ankara, London, Paris und Berlin geboten wird! Der Westen und seine „willigen Helfer“, die in den letzten Jahren unter dem Deckmantel der „internationalen Staatengemeinschaft“ und unter Missachtung von Völkerrecht und UNO die Rolle des Weltpolizisten an sich gerissen haben, sind weder bereit noch fähig, einer Stadt zu helfen, die von fanatischen und zu allem fähigen Kämpfern eines selbsternannten „islamischen Staats“ mit allen Scheußlichkeiten des Krieges bedroht wird.

Dass muss ein Wendepunkt in der Weltpolitik werden, wenn wir nicht ins Chaos abstürzen wollen. Weder den USA noch anderen westlichen Staaten und ihren Komplizen im Nahen Osten oder anderswo darf künftig erlaubt werden, die Händel in der Welt in ihrem Wahn von Weltgeltung und kriegerischem Ruhm eigenmächtig und in ihrem vermeintlichen oder angeblichen Interesse zu regeln. Wir brauchen nun dringendst eine unabhängige Polizei-Streitmacht der UNO, die dort unparteiisch, kompetent und entschlossen eingreifen kann, wo Konflikte nicht auf friedlichem Wege gelöst werden können oder Menschenrechtsverletzungen wie in Kobani drohen.

Auch in der Ukraine dürfen unsere – offenbar total falsch eingeschätzten – Friedensnobelpreisträger nicht länger ihre Finger im Spiel behalten, nicht einmal unter dem Etikett der OSZE; sie haben schon genug Unheil in der Welt angerichtet!

LUDWIG SCHÖNENBACH, Bremen

KurdInnen denken selbstständig

■ betr.: „Aus Wut und Verzweiflung“ (Anja Krüger), „Das Kalkül der PKK“ (Daniel Bax), taz vom 13. 10. 14

Beiden Autoren scheint es darum zu gehen, dass alle Proteste bei uns gegen das drohende Massaker PKK-gesteuert sind. Die Zahl von 20.000 in Düsseldorf beruht auf Polizeiangaben. Aber die Polizei musste den Kundgebungsplatz wegen Überfüllung sperren! Anja Krüger stellt fest, dass die Kurden dort weitgehend unter sich waren, und sieht den Grund im „Führerkult“ um Öcalan. Die Kurden haben aber – gerade auch durch ihn – heute ihre Identität entwickelt. Schließlich war Öcalan der Vordenker von „Rojava“ als basisdemokratisches Modell für den Nahen Osten und ist der Architekt des Friedensprozesses in der Türkei. Anja Krüger hätte lieber den deutlichen Solidaritätsappell des Medico-Experten Glasenapp an die Deutschen erwähnen sollen.

Mich erstaunt aber besonders die Position von Daniel Bax, die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK lasse die „Muskeln spielen“. Journalisten würden ihren Alleinvertretungsanspruch akzeptieren. Sie (und alle Unterstützer) seien auf die PKK-Propaganda beziehungsweise das „Kalkül der PKK“ reingefallen. Die PKK opfere lieber ihre Kämpfer, als einen Kompromiss einzugehen. Er erwähnt im Zusammenhang mit der Pufferzone nicht, dass die Kurden oft genug in der Geschichte getäuscht und allein gelassen wurden. In Kobane kämpfen die KurdInnen für ihre historische Chance, für ihre Würde und die Menschlichkeit. Und das unterstützen auch die meisten KurdInnen in der Türkei und in Europa. Die ganze Welt sieht, dass sie seit vier Wochen mit Gewehren gegen IS-Panzer kämpfen. Daniel Bax sollte wissen, dass die KurdInnen selbstständig denken können und sich in der Weltpolitik gut auskennen.

JÜRGEN WESSLING, Hannover

Freiburger Sommer war verregnet

■ betr.: „Wagen droht die Schrottpresse“, taz vom 13. 10. 14

Die Wagenburg „Sand im Getriebe“ fordert die Stadt nun wiederholt auf, ein Gelände zur Verfügung zu stellen. Es darf aber bitte nicht bei einer schon bestehenden Wagenburg, sondern es soll ein eigener Platz sein. Aha! Diese Forderung ist in meinen Augen unverschämt und anmaßend. Wenn keine Einigung erzielt wird, werden „drakonische“ Maßnahmen ergriffen und die Wagen verschrottet.

Welcher meiner Azubis, die ich seit dreißig Jahren unterrichte, beansprucht in dieser Form eine Wohnung, obwohl sie/er sie vielleicht tatsächlich dringender bräuchte? Sie dürfen mit diesen Fahrzeugen, wie sie bei Wagenburgen beteiligt sind, gar nicht in die Umweltzone der Innenstadt fahren, weil sie keine grünen Plaketten haben.

Und nicht erst seit heute, sondern schon viel länger braucht die Stadt dringend preiswerten Wohnraum für junge Familien und Asylbewerber beziehungsweise Migranten. Dafür zu kämpfen wäre weitaus wichtiger als die Demos der Wagenburg-Bewohner. Aber das ist natürlich langwierig, erfordert Ausdauer und Kompromissbereitschaft. Wer einen politischen Prozess in Gang setzen will, muss einen langen Atem haben und sich demokratischen Prozessen unterziehen. Übrigens, Frau Lang wird auch nicht der Sommer geklaut, sie ist sicher auch nicht in Freiburg gewesen, denn da hat’s im Sommer meistens geregnet. Manchmal muss frau auch erkennen, wenn frau verloren hat. ERIKA TISCHER, Freiburg

Reiche Analyse

■ betr.: „Sympathy for the Schnösel“, taz vom 8. 10. 14

Was für eine reiche Analyse, echt! So viel Hintergrund für ein jedenfalls bei mir immer wiederkehrendes, bisher noch allzu dumpfes Hintergrund-Gefühl. Und noch dazu die Erkenntnis von Schnöseligem in mir selbst … neben der vielen Freude über die Beschreibung der „Mutter aller … Schnösel“ von der Leyen u. a. Dafür liebe ich die taz-Kommentar-Seite – u. a.! JÜRGEN DEGE-RÜGER