„Die CDU muss sich den Grünen öffnen“

Nach der Wahlschlappe vom Sonntag fordert der ehemalige Bremer Bausenator Jens Eckhoff den Rücktritt des CDU-Parteivorsitzenden Bernd Neumann. An dem war Eckhoff bei seinen Versuchen gescheitert, die Bremer CDU zu modernisieren

JENS ECKHOFF, 41, Ex-CDU-Fraktionschef in Bremen, trat 2006 als Bausenator zurück. Er arbeitet als Projektentwickler. FOTO: DPA

Interview EIKEN BRUHN

Herr Eckhoff, Ihre Partei sieht nicht, dass sie irgendetwas falsch gemacht hat. Warum mischen Sie sich jetzt ein?

Jens Eckhoff: Wir haben bei der Wahl gerade einmal 25 Prozent geholt, das ist das Niveau von 1987, und ich finde, dass eine Volkspartei jetzt eine gnadenlose Analyse vornehmen muss. Das betrifft Inhalte, Strukturen, Personen. Es kann doch keine Begründung sein, zu sagen, die SPD ist schuld, wir haben alles richtig gemacht und der Wähler war nur zu blöd, das zu erkennen.

Wo ist das Problem?

Gucken Sie sich die Altersstruktur derer an, die uns gewählt haben, das ist ja vernichtend. Die zweitgrößte Gruppe, die uns weggelaufen ist, sind die Verstorbenen! Wenn sie jetzt nicht dringend etwas ändert, wird die CDU in Bremen einfach aussterben.

Wo sehen Sie die Chancen?

Wenn man in Bremen Veränderungen grundsätzlicher Art hinbekommen will, dann muss man einfach anerkennen, dass 60 Prozent in dieser Stadt alternativ-links wählen. Für die muss sich die CDU drastisch öffnen.

Aber was hat die CDU falsch gemacht? Sie hat mit ihrem Café Röwekamp und der Wahlwerbung junge Wähler angesprochen und den Spitzenkandidaten durch die Kindergärten geschickt.

Wir waren in den letzten sechs Monaten auf dem richtigen Weg mit sozialen Themen, aber so kurz vor der Wahl sieht das nach einer Schummelpackung aus. Das war 2003 schon so, da haben wir die Frauen alle nach vorne gepackt und als die Plakate weg waren, waren auch die Frauen verschwunden.

Liegt es am Spitzenkandidaten Thomas Röwekamp selbst, dem man seine Botschaften nicht abgenommen hat?

Es stimmt, dass er drei Jahre das Image des harten Innenpolitikers gepflegt hat und in der konservativen Klientel gepunktet hat, auch innerparteilich – und da muss man sagen, auch gegen mich. Deshalb war es kaum möglich für ihn, ein Jahr vor der Wahl die Kurve zu kriegen. Umso wichtiger ist jetzt aber, dass er dabei bleibt, egal ob in der Regierungsverantwortung oder in der Opposition, das ist ein langfristiger Prozess. Mit Innenpolitik kann die CDU zwar Stammwähler binden, aber das sind gerade mal 18 Prozent. Thomas Röwekamp muss sich jetzt um Bildungs-, Umwelt- und Sozialpolitik kümmern, Bürgerbeteiligung ist in einem Stadtstaat ganz wichtig. Und er muss verstärkt mit den verschiedenen Gruppen ins Gespräch kommen, die es in dieser Stadt gibt.

Aber wie soll er jemals sein Image als Hardliner wieder loswerden? Denken Sie an seine Äußerungen zu Murat Kurnaz oder zu Lale Condé, der im Polizeigewahrsam ertränkt wurde.

Das hing beides zusammen mit seiner Rolle als Innensenator. Im Fall Kurnaz ist Vieles auf Betreiben der Bundesregierung gelaufen, da könnte man ihm höchstens vorwerfen, dass er sich nicht dagegen gewehrt hat. Für seine Äußerung im Fall Condé, die ich damals auch als unglücklich empfunden habe, hat er sich entschuldigt. Sie können nicht davon ausgehen, dass Menschen in der Politik keine Fehler machen.

Sie reden ja schon seit Jahren davon, dass sich die CDU für andere Wählerschichten öffnen muss. Hört Ihnen denn niemand zu?

Das eine oder andere hat sich ja schon im Wahlprogramm wiedergefunden. Aber ich war offensichtlich zu schwach dazu, das innerparteilich mehrheitsfähig zu machen. Ich hoffe, dass neue Gesichter mehr innerparteilichen Rückhalt haben.

Solange Bernd Neumann, der Sie ausgebremst hat, an der Spitze der Partei steht, wird sich aber kaum etwas ändern.

Man muss jetzt auch über Personen reden, klar. Dabei darf es keine Tabus geben. Es kann nicht sein, dass eine Person in der CDU immer ausgeklammert wird. Bernd Neumann kann diesen neuen Kurs nicht glaubhaft nach außen vertreten. Nach 28 Jahren Parteivorsitz gehört zu seiner Lebensleistung dazu, dass er sich selbst einen würdigen Abgang organisiert.

Ist denn nur Neumann das Problem?

Nein, es geht darum, wie man sich mittelfristig aufstellt. 2011 werden wir ein anderes Wahlrecht haben, wo Wähler Personen und nicht Parteien ihre Stimme geben können. Das bietet für die CDU eine große Chance, wegzukommen aus dem Hinterzimmer, wo sich 20 Mitglieder treffen, Bier trinken und Stammtischparolen klopfen. Ich stelle mir eine offenere, projektorientierte Parteiarbeit vor, wo man nicht einen Mitgliedsantrag unterschreiben muss, bevor man seine Ideen einbringen kann.

Wollen Sie Neumann beerben?

Dazu werden Sie heute nichts von mir hören.

Und wo sehen Sie sich?

Momentan in meinem Beruf. Ob ich in vier Jahren wieder kandidieren werde, weiß ich jetzt noch nicht.

Könnte es dann schon für Schwarz-Grün reichen?

Das braucht wohl noch etwas mehr Zeit. Ich sage aber, wenn wir uns in den letzten Jahren mehr geöffnet hätten, also die CDU zu den Grünen, aber auch die Grünen zur CDU, wären wir jetzt nicht in den Koalitionsverhandlungen bedingungslos erpressbar. Jetzt kann die SPD ihre Forderungen maximieren, und wer sich am meisten krumm macht, darf mitregieren.